Tödliches Kommando

Neben Avatar war TÖDLICHES KOMMANDO der Abräumer bei den diesjährigen Oscar-Verleihungen. Gleich sechs mal ging der Goldjunge an den Irak-Bombenentschärfungstrupp, unter anderem als bester Film. Das macht natürlich neugierig, denn bis zu diesem Zeitpunkt war „The hurt locker“, wie er im Original heißt, völlig an mir vorbeigezogen. Bester Film, beste Regie, bestes Original-Drehbuch, Schnitt Ton und Tonschnitt gehen auf das Konto des Blockbusters. Wir haben uns in die Welt der „Roter-Oder-Blauer-Draht-Entscheider“ begeben und unter diesem Hintergrundwissen angeschaut.

Nach einem düsteren, anfänglichen Zitat „Der Rausch des Kampfes wird oft zu einer mächtigen und tödlichen Sucht. Denn Krieg ist eine Droge.“ geht der Film viel versprechend los. Guy Pearce (unvergleichlich gut in „Memento“) mimt den Teamleiter, der sich gleich zu Beginn an die Entschärfung einer Bombe macht. Doch der Einsatz läuft gewaltig schief, als sich sein Teamkollege nicht dazu durchringen kann, einen mit einem Telefon ausstaffierten Iraker zu erschießen, der, wie sich dann herausstellt, tatsächlich auch die Bombe fern zündet. Enttäuschung auf ganzer Linie: das wars mit Sergeant Thompson und somit auch mit Guy Pearce in diesem Film.

Neuer Ersatzmann an der Seite von Sanborn (Anthony Mackie) und Eldridge (Brian Geraghty) ist der scheinbar Team-unfähige, draufgängerische Hitzkopf William James (Jeremy Renner), der mit seiner unkonventionellen Arbeitsweise und seiner Einzelkämpferhaltung nicht nur sich, sondern auch seine Teamkameraden in tödliche Gefahr bringt, was diese ihm natürlich nicht durchgehen lassen können, auch wenn er der direkte Vorgesetzte ist…

TÖDLICHES KOMMANDO dreht sich in erster Linie um den Druck, unter dem die Soldaten im Irak stehen, ob nun im Camp, wo sie auf ihren nächsten Einsatz warten, oder aber direkt im Einsatz selbst, wo die Gefahr nicht nur von den versteckten Bomben ausgeht, sondern auch in Form eines Scharfschützen in jedem beliebigen Haus lauern könnte. Hinzu kommen die unwirtlichen klimatischen Bedingungen, unter denen die Soldaten arbeiten müssen, und Gefahrensituationen, für die das Bombenräumkommando eigentlich gar nicht ausgebildet ist.

Keine Frage, dieser Film versteht es, die Intensität und Spannung, unter der die amerikanischen Soldaten arbeiten, spürbar einzufangen und eine Art Beklemmung aufzubauen, wie man sie selten bei Filmen erlebt. Ob dies natürlich insbesondere bei Betrachtung der direkten Konkurrenz alle sechs Oscars rechtfertigt, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Und wenn man sich in einem Punkt einig ist, dann doch wohl in dem, dass ein Film mit vielen Oscars nicht zwangsläufig auch jedem gefallen muss, oder?

Damit das an dieser Stelle niemand falsch versteht: TÖDLICHES KOMMANDO ist ein wirklich gut gemachter Film, der das Reizthema „Guerillakrieg“ perfekt einfängt und sich somit jenseits diverser anderer Kriegsfilm-Spitzentitel bewegt, die ebenfalls ihre Existenzberechtigung haben. Hier geht es weniger um Helden, Kampf und Waffen, sondern vielmehr um psychischen Druck.
Wer sich das im Vorfeld klar macht, wird mit „The Hurt Locker“ sehr gut unterhalten, nichtsdestotrotz bin ich mir recht sicher, dass letztendlich das gestörte Verhältnis der Amerikaner zum Thema Patriotismus dafür gesorgt hat, dass der Film so viele Preise abgestaubt hat. Vielleicht ist aber auch einfach nur James Cameron bei vielen Juroren in Ungnade gefallen, und man meinte, ihn besonders hart damit treffen zu können, indem man statt seinem Film Avatar dem seiner Ex-Frau Kathryn Bigelow den Vortritt lassen würde…
Sehr spannend, sehr unterhaltsam, aber irgendwie hatte ich bei sechs Oscars mehr erwartet…