Winters Bone

Manchmal sind die Oscar-Verleihungen im Vorfeld schon klar. Da gibt es Filme, die sind von vornherein dermaßen sichere Kandidaten, dass man sich das Spektakel gar nicht erst anschauen muss. Manchmal sind es dann aber auch Filme, die keiner so wirklich auf dem Schirm hatte, die gewinnen. Und manchmal versteht man nicht einmal, warum ein Film eine Nominierung erhalten hat. WINTERS BONE hat insgesamt vier Oscar-Nominierungen erhalten, unter anderem für den besten Film und die beste Hauptdarstellerin. Dass Jennifer Lawrence sich ganz hervorragend schlägt in diesem Streifen, steht gänzlich außer Frage. Ob die Darbietung allerdings einen Oscar wert gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln.

Ree Dolly (Jennifer Lawrence) hat ein hartes Los. Ihr Vater ist regelmäßig in Schwierigkeiten mit der Polizei, ihre Mutter ist schwer krank, und die Erziehung ihres kleinen Bruders obliegt quasi ihr alleine. Als ihr Vater dann auch noch das Haus der Familie als Kautionsschutz einsetzt und danach spurlos verschwindet, steht Ree vor dem Ende ihrer jungen Existenz. Mit siebzehn Jahren macht sie sich nun alleine auf, um ihren Vater zu finden und vor Gericht zu bringen, damit ihnen nicht das Haus weggenommen wird. Doch was sie sich anfangs recht einfach vorgestellt hat, entpuppt sich sehr schnell als enorm schwierig. Die Leute scheinen zwar alle irgendwie etwas zu wissen, aber keiner mag mit der Wahrheit rausrücken. Ihr Vater scheint sich in noch größere Schwierigkeiten begeben zu haben, als sie anfänglich dachte, und je mehr sie ihren entfernten Verwandten auf den Leib rückt, um Informationen zu bekommen, umso brenzliger wird die gesamte Situation für sie selbst…

WINTERS BONE ist düster. Die kalten, recht farblosen Bilder spiegeln nicht nur das Seelenheil der Hauptdarstellerin wieder, sondern auch die Trostlosigkeit, Aussichtslosigkeit, Perspektivlosigkeit der Gesamtsituation. Selbst, wenn es Ree noch gelingen sollte, ihren Vater zu finden, so ist dies auch nur die Sicherung eines Daches über dem Kopf, ein stabiles Familienleben hat sie dadurch noch lange nicht. Jennifer Lawrence spielt die starrköpfige, kämpferische Teenagerin mit Elan und Inbrunst, schafft es auch, ihr das Gesicht einer Person zu verschaffen, die keinen Plan B hat. Dadurch, dass wir im Vorfeld nichts über ihren Vater, ihr Umfeld oder ähnliches erfahren, bleibt man angesichts des Schicksals dennoch ziemlich unbeteiligt und unbetroffen. Natürlich tut sie einem leid, aber man kann nicht mit ihr mitfühlen. Auch die Reaktionen ihrer Verwandten bleiben rätselhaft, weiß man doch nicht, worum es im Endeffekt geht. Die Auflösung des Films ist dann fast schon zu simpel und kann in Anbetracht der vorherigen Ereignisse auch nicht als sonderlich glaubwürdig eingestuft werden.

Vier Oscarnominierungen? So sehr ich mich auch bemüht habe, ich kann das leider alles nicht nachvollziehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es gerade diese düsteren, entrückten Filme sind, die in irgendeinem Hinterland jenseits von Recht und Ordnung spielen, die mit Nominierungen überschüttet werden. „There will be blood“, „No country for old men“ oder auch “True Grit” haben es vorgemacht. Wer mit dieser Art von Filmen etwas anfangen kann, ist bei WINTERS BONE bestens aufgehoben. Wir hätten uns allerdings etwas mehr Spannung in der Handlung erhofft, und wenn einem schon das verwehrt bleibt, dann zumindest einen Handlungsstrang, dem man ohne Probleme nachfolgen kann, ohne sich alle fünf Minuten zu denken „Warum jetzt das? Okay, nehmen wir es als gegeben hin!“.
Die bedrückende Stimmung des Films ist allerdings fast schon ein spürbar auf der Brust lastendes Gewicht, und allein dafür ist der Film dann doch schon sehenswert.