Alpha Protocol (Xbox 360)

ALPHA PROTOCOL von Sega ist das erste Spionage-Rollenspiel überhaupt. Die unterschiedlichen Facetten eines Agenten könnt ihr hier ausleben, und je nachdem, wie ihr eure Fertigkeitspunkte verteilt, verhält es sich auch mit dem Spielgefühl. Ob nun als Vorstadt-Rambo mit jeder Menge Zielwasser im Blut, ob schleichend und unauffällig, oder aber als Computer-Spezialist könnt ihr euch durch die Levels bewegen (oder aber in Kombination all dieser Fertigkeiten, dann allerdings nirgendwo wirklich spezialisiert). Viel entscheidender als euer Weg zu den Schlüsselmomenten, die zumeist am Ende einer Mission auf euch warten, sind die Entscheidungen, die ihr dort fällt.

In der Figur des Agenten Michael Thorton liegt es an euch, herauszufinden, wer für den Abschuss eines Passagierflugzeugs über Osteuropa durch eine amerikanische Rakete verantwortlich ist, um eine internationale Krise zu verhindern. Soviel zur Rahmenhandlung. Wie diese Geschichte im Einzelnen ausgeht, liegt zu großen Teilen in euren Händen, denn ALPHA PROTOCOLL hält, was andere nur plakativ versprechen. Hier habt ihr wirkliche Entscheidungsfreiheiten, nicht nur, wie ihr die Missionen angeht bzw. in welche Richtung ihr euch verbessert, sondern auch, wie ihr euch entscheidet und mit euren Gesprächspartnern umgeht.

Im Prinzip könnt ihr genau das, was auch ein James Bond, Jason Bourne oder Ethan Hunt kann: mit jeder Art von Waffe umgehen, im Nahkampf unglaublich agil und effektiv sein, Schleichen und Verstecken, Computer hacken, etc.. Klar dürfte sein, dass es sich bei o.g. Agenten um Topspione handelt, also solche, die schon viel Erfahrung im Einsatz sammeln konnten (und, um wieder auf Spiele-Ebene zu wechseln, entsprechend hochstufige Charaktere sind). Ihr steht noch ganz am Anfang eurer Spionage-Karriere, beherrscht zwar von allen genannten Dingen Grundkenntnisse, die für den positiven Ausgang einer Mission völlig ausreichen, habt diese Fertigkeiten aber noch lange nicht perfektioniert und entsprechend Ausbaupotential. Wie ihr die Fertigkeitspunkte, die ihr beim klassischen Stufenanstieg erhaltet, verteilt, liegt ganz an eurer Spielweise. Wer gerne die Waffe zückt, sollte hier Punkte investieren, wer lieber schleicht, der verbessert diese Fähigkeit. Natürlich könnt ihr auch genau anders herum argumentieren: „Schießen kann ich sowieso, da muss ich nicht extra Punkte investieren, um mehr Schaden zu verteilen, aber das Hacken der Computer fällt mir (als Spieler) unglaublich schwer, ich verschaffe mir lieber in diesem Bereich Vorteile“.

Redet ihr euren Teamkameraden nach dem Mund, oder sucht ihr die Konfrontation? Erschießt ihr den Waffenhändler, oder lasst ihr euch von ihm bestechen, um mehr Geld in der Kasse zu haben, Kontakte zum Schwarzmarkt zu knüpfen und im Anschluss den Händler zu verfolgen und seine Kontaktleute gleich mit hochzunehmen? Diese und ähnliche Entscheidungen müsst ihr im Spielverlauf ständig treffen, und zu allem Überfluss tickt die Uhr, wenn ihr die Art, wie ihr reagieren wollt, entscheiden müsst (eben genau wie im richtigen Leben: wer zu lange mit einer Antwort zögert, macht sich verdächtig, und das darf einem Agenten nicht passieren).

Steuerung und Spielprinzip sind eingängig, abwechslungsreich und vielseitig. In klassischer Verfolgerperspektive rennt ihr durch die Areale, versteckt euch, schleicht an den Gegner heran, macht bei Gelingen der vorherigen Punkte Stealth Kills auf Knopfdruck, oder aber ihr sucht die offene Shooter-Konfrontation mit Deckungssystem. Ihr überbrückt Schaltkreise, um Alarmanlagen abzuschalten, Computer werden mittels Codes geknackt, die ihr in einer schnell fortlaufenden Zahlenreihe erkennen müsst (dies erweist sich als eines der schwersten Minispiele im Spiel), Türschlösser werden klassisch mit Schließzylinder-Ansicht überwunden. In Kombination mit dem tollen Spielablauf macht das alles richtig Spaß.

Allerdings bekommt ALPHA PROTOCOL auch Abzüge in der B-Note.
Zum einen ist die Grafik nicht mehr ganz topaktuell. Zwar hat man nicht das Gefühl, in einem lieblos programmierten Spiel zu hocken, und die Atmosphäre leidet ebenfalls nicht unter den kleineren Mängeln, aber unter einer modernen Spielegrafik darf man etwas anderes verstehen.
Zum anderen, und das ist noch etwas entscheidender, solltet ihr gute Englischkenntnisse haben, denn eine deutsche Synchronisation sucht ihr vergeblich, und die Untertitel sind stellenweise sehr schwer zu Verfolgen, wenn ihr euch parallel auf eure Mission konzentrieren wollt.

Alles in allem ist ALPHA PROTOCOL mit leichten Einschränkungen allen ans Herz zu legen, die gerne schleichen, schießen und dabei auch noch ihre Spielfigur verbessern wollen.