Call of Juarez – Bound in blood (Xbox 360)

Wenn ein Spiel den Titel „Egoshooter“ in letzter Zeit verdient hat, dann ist es CALL OF JUAREZ – BOUND IN BLOOD! Die beiden Brüder Ray und Thomas McCall sind solche Egozentriker, dass das viele Wildwest-Geballer fast in den Hintergrund rutscht angesichts der Geschichte, die hier aufgebaut und entwickelt wird. Bei dem Spiel handelt es sich um das Prequel zu ‚Call of Juarez’, womit wir auch schon bei einem der kleineren Kritikpunkte sind: wer den Vorgänger kennt, weiß, worauf alles hinaus laufen wird!

Der zweite Weltkrieg ist als Szenario für Videospiele schon derartig ausgelutscht, dass nicht nur der Geschmack weg ist, sondern eigentlich auch schon Farbe und Form. Unverständlich bleibt, warum nicht schon viel mehr Entwicklerstudios den Reiz einer Geschichte im Wilden Westen erkannt haben. In kaum einer anderen Zeit war es selbstverständlicher, schwer bewaffnet durch Städte zu ziehen, ohne dafür gleich an den Pranger gestellt zu werden, selten wurde mehr Gebrauch von Handfeuerwaffen als Argumentationsverstärker gemacht. Fest steht jedenfalls, dass CALL OF JUAREZ durch diesen Mangel an Alternativen zusätzlich interessant wirkt. Aber fangen wir vorne an:
Die Brüder Thomas und Ray McCall sind Soldaten im Bürgerkrieg, ihr kleiner Bruder William ist derweil bei seiner Mutter geblieben. Eure Aufgabe ist es, die Linie zu halten und (salopp gesagt) auf alles zu schießen, was sich bewegt. Als dann der Befehl zum Abmarsch kommt, obwohl die Farm eurer Familie weiterhin noch in Gefahr ist, beschließt ihr mit eurem Bruder zusammen, Fronturlaub zu nehmen und den heimischen Hof zu verteidigen. Ab sofort müsst ihr also damit rechnen, als Deserteure gejagt zu werden. Zu Hause angekommen, erkennt ihr, dass ihr zu spät seid. Eure Mutter ist verstorben, lediglich euren Bruder (der übrigens im Spiel als Erzähler fungiert und dem Beruf des Priesters nachgeht) könnt ihr noch befreien. Von nun an auf der Flucht, erfahrt ihr von einem geheimen Indianerschatz, mit dem ihr eine neue Existenz aufbauen könntet. Zu dumm nur, dass ihr von nun an für den Verbrecher Juarez arbeiten müsst, und obendrein sowohl Thomas als auch Ray sich in dessen Freundin vergucken. Stunk ist vorprogrammiert.
CALL OF JUAREZ – BOUND IN BLOOD spielt sich zunächst wie jeder andere First-Person-Shooter auch. Am Beginn einer Mission könnt ihr wählen, ob ihr als Ray (der älteste der McCall Brüder ist eher robust, kann mit zwei Pistolen und Dynamit umgehen, ist dafür aber etwas ungenauer) oder als Thomas (geübt im Umgang mit dem Gewehr, kann mit Messern oder Pfeil und Bogen lautlos töten und obendrein mittels Lasso manche Stellen erreichen, wo Ray nur hilflos vorsteht) die Mission startet. Die zur Verfügung stehenden Waffen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile (Nachladezeiten, Reichweite, Durchschlagskraft, Magazingröße) und sollten auch sinnvoll eingesetzt werden. Die Levels sind mehr oder weniger schlauchig angeordnet, Wegpunkte sorgen für die nötige Übersicht. Habt ihr mal längere Strecken zu bewältigen, schwingt ihr euch auf den Rücken eines Pferdes. Ihr könnt euch im Feuergefecht hinhocken und die natürliche Deckung ausnutzen, oder aber ihr klemmt euch direkt hinter irgendetwas, das Schüsse abhält, um dort dann aus der Deckung heraus zu schießen. Eine vorsichtige Herangehensweise und Ausnutzen der Deckung ist Schlüssel zum Erfolg des Spieles, denn die Gegner agieren schlau und sind recht sichere Schützen.
Immer mal wieder kommt es zu Showdowns, wo ihr euch mit einem Gegner duellieren müsst. Hierzu sorgt ihr für eine gute Position, haltet die Hand dicht am Halfter und zieht beim Glockenschlag die Pistole (Achtung: ihr müsst natürlich nicht nur schnell ziehen, sondern auch im richtigen Moment schießen!). Ein weiteres Highlight des Spiels ist es, wenn ihr genug Gegner erledigt habt und aus dem Konzentrationsmodus schießt: während ihr mit Ray in einer kurzen Slowmotion bei gleich bleibender Fadenkreuzgeschwindigkeit die Gegner mit selbigem einfach nur „abfahren“ müsst, wird bei Thomas das Zielen automatisch übernommen für alle Gegner, die ihr in dem Moment sehen könnt, ihr müsst dann lediglich den Abzugshahn ziehen, damit das nächste Ziel aktiviert wird.

Grafisch bleibt CALL OF JUAREZ – BOUND IN BLOOD ein wenig hinter den Möglichkeiten, vor allem was die Charakterdetails und Bewegungsanimationen betrifft. Landschaften, Weitblick, Explosionseffekte und Trefferfeedback sind hingegen gut gelungen. Auch im Sound wäre sicherlich manches Mal ein bisschen mehr drin gewesen, und auch bei den Synchronsprechern sind nicht alle topmotiviert.
Nichtsdestotrotz ist das Spiel absolut fesselnd, was sicherlich am Spannungsaufbau und der packenden Story liegen dürfte. Damit wäre bewiesen, dass eben nicht nur Grafik und Technik notwendig sind, um ein gutes Spiel zu erschaffen, sondern in erster Linie die Idee stimmen muss.
Eine Sache will mir allerdings nicht einmal im Ansatz in den Kopf gehen: bei einer solchen Steilvorlage mit zwei Brüdern, die man sogar alternativ spielen kann, ohne dass dadurch an der Story etwas geändert werden würde, ist es fast schon nicht mehr nur ein Versäumnis, sondern eher grobe Fahrlässigkeit, dass die Entwickler auf einen Koop-Modus verzichtet haben. Damit wäre CALL OF JUAREZ unschlagbar gewesen, da bin ich mir ziemlich sicher, und zu zweit als Revolverhelden durch die Prärie zu reiten hätte dem Spiel noch zusätzlichen Kultstatus einräumen können. Bitte als Download-Patch nachreichen 😉 !