Kingdoms of Amalur: Reckoning (Xbox 360)

Schon klasse, wenn man sich ganz zu Beginn eines Spieles davon überzeugen kann, dass man etwas wirklich Besonderes ist. In dem Rollenspiel KINGDOMS OF AMALUR: RECKONING aus dem Hause EA seid ihr zu Beginn tot. Zumindest glauben das alle. Auf einem Leichenkarren werdet ihr durch ein Höhlensystem gezogen, um im Anschluss in eine tiefe Grube geworfen zu werden, mitten auf einen großen Haufen teilweise schon stark verwester Körper. Und wir wissen nicht, ob es der unerträgliche Gestank ist, aber das spielt auch keine Rolle: ausgerechnet hier schlagen wir die Augen auf. Willkommen in Amalur.

Bevor ihr eure ersten Schritte in der Fantasywelt tätigt und herausfindet, warum ihr nun doch nicht tot seid und wem ihr hier überhaupt vertrauen könnt, erwartet den Spieler das obligatorische Charaktererstellen. Hier zeigt das Spiel schon einmal eine seiner Stärken: weder bekommt ihr hier vorgeschrieben, wie eure Figur auszusehen hat, noch werdet ihr von Milliarden von Einstellungsmöglichkeiten erschlagen. Es gibt genug Spielraum, um sich seinen Wunschcharakter zu generieren, aber eben in einem Rahmen, der nicht ausufert. Geschlecht, Rasse (hier gibt es vier unterschiedliche Völker, die jeweils bestimmte Boni auf Eigenschaften geben), Gottheit (ebenfalls mit Boni versehen oder eben nicht). Danach gibt es noch einen kurzen Editor für das äußere Erscheinungsbild, das wars.
Moment. Keine Klassen? Genau, in KINGDOM OF AMALUR – RECKONING kann euer Charakter sich entwickeln, wie ihr das gerne wollt. Mit in sich recht schlüssigen Talentbäumen, in denen ihr beliebig Punkte verteilen könnt, habt ihr die Möglichkeit, nicht nur im Bereich Schwertkampf ordentlich die Klinge zu schwingen, sondern seid gleichzeitig auch in der Lage, mittels mächtiger Zauber eure Gegner zu erledigen, mit Pfeil und Bogen umzugehen oder euch lieber meuchlerisch heimlich von hinten anzuschleichen. Eine Kombination aus allen Bereichen erbringt ein ziemlich ausgewogenes Kampfverhalten, muss aber nicht für jeden Spieler die richtige Wahl sein.
„Kann, muss aber nicht“ findet sich auch im Missionsdesign wieder. Wenn ihr nur die Hauptquests verfolgt, seid ihr schon relativ lange beschäftigt, dazu kommen dann noch Aufgaben, die ihr für Fraktionen erledigen könnt, bis hin zu diversen unwichtigen Nebenmissionen, hinter denen aber auch jedes Mal ein Schicksal steht… Laut Entwickleraussagen benötigt man, um alle Quests zu bewältigen, ca. 200 Stunden. *schluck*
Wie spielt sich KINGDOMS OF AMALUR: RECKONING? Actionlastig. Ein kleines „Diablo“ auf Konsole, das auch regelmäßige Anleihen bei World Of Warcraft aufweist, zum Beispiel bei den Questgebern, denen ein gelbes Fragezeichen oder Ausrufezeichen über den Köpfen schwebt, bis hin zur Seltenheitsmarkierung der Gegenstände, die ihr unterwegs findet. Warum auch ein funktionierendes System umschmeißen oder neu erfinden, wenn das alte doch gut läuft? Von der Steuerung her wirkt der Titel wie eine Mischung aus den Konsolenspielen zu „Baldurs Gate“ bzw. „Champions ofNorrath“ und „Dragon Age“. Schnell erlernt, eingängig, in sich logisch. Sogar das Item-Inventar ist übersichtlich gestaltet, und bei der Wahl der besten Ausrüstung hilft euch das Spiel ebenfalls sehr gut weiter.
Grafisch kann der Titel ebenfalls ordentlich punkten, zeichnet sich doch ein gewisser Todd McFarlane für die grafischen Entwürfe verantwortlich. Für alle, die mit dem Namen nichts anfangen können: McFarlane ist der Künstler, der unter anderem die „Spawn“-Comics erfunden und gezeichnet hat.

KINGDOMS OF AMALUR: RECKONING ist Balsam für die Rollenspieler-Seele. Selbstverständlich bei weitem nicht so tiefgreifend wie ein The ElderScrolls, dafür aber deutlich Action-lastiger. Wer auf spannend erzählte Fantasy-Geschichten steht, in denen das Hauptaugenmerk aber auf Charakterentwicklung, verbesserte Ausrüstung und ein gutes Kampfsystem liegen, ist hier wirklich gut aufgehoben. Vom Umfang her ist KINGDOMS OF AMALUR: RECKONING jedenfalls nur sehr schwer schlagbar. Masse statt Klasse? Nein, wie wir finden. Allerdings muss sich das Spiel die Kritik gefallen lassen, in manchen Bereichen gerade bei den Nebenmissionen recht oberflächlich zu bleiben und Aufgaben zu verteilen, die es in der Form schon Milliarden mal im Bereich der Rollenspiele für Videospielkonsolen gegeben hat. Und nein: Ratten aus einem Keller vertreiben gehört ausnahmsweise mal nicht dazu!