Venetica (Xbox 360)

„Aaaah, Venedig!“ Etwa so überrascht wie Indiana Jones war ich, als ich nach mehreren Stunden VENETICA endlich in der namensgebenden Metropole landete. Der Weg, den Scarlett bis hierhin hinter sich gebracht hat, ist schon ein ordentliches Stück gewesen, und erst hier soll das Spiel seine wahre Pracht entfalten. Wir haben für euch getestet, ob ein westliches Rollenspiel mit einer weiblichen Protagonistin auch für die Herren der Schöpfung etwas taugt.

Zum Inhalt: Einer Gruppe von Leuten ist es gelungen, sich durch schwarze Magie eine dämonische Präsenz zu schaffen, die sie unsterblich macht und sie aus dem Machtbereich von Gevatter Tod befördert. Lediglich dessen weltliche Tochter kann ihnen noch gefährlich werden, weswegen sie ihre todbringenden Assassine durch die Lande jagen, um das Kind des Todes (dessen Namen und Geschlecht ihnen aber nicht bekannt ist) zu finden. Dabei stoßen sie auch in das Dorf von Scarlett (also euch) vor, die nichts von ihrer überirdischen Vaterfigur weiß und sich anfangs völlig menschlich mit einem Schürhaken verteidigt. Als es brenzlig wird, springt eure große Flamme Benedict in die Bresche und rettet euch das Leben, wird aber anschließend hinterrücks ermordet.

Nun könnt ihr grundlegend entscheiden, was eure genaue Motivation ist: Rache an den Mördern zu nehmen, oder versuchen, Benedict wieder zu sehen. In einem Traum erfahrt ihr von eurer Herkunft und erhaltet ein paar Tipps zur weiteren Vorgehensweise (z.B. die Mondklinge finden, eine Waffe, die Tod extra für euch auf der Welt versteckt hat), und auch, wenn ihr anfangs noch nicht ganz davon überzeugt seid, dass ihr eine so gewichtige Rolle spielen sollt, spricht der Wahrheitsgehalt für die Geschichte, und auch Benedict könnt ihr im Reich des Todes wieder sehen, der euch mit ein paar kleineren Fähigkeiten unterstützt…

VENETICA ist ein etwas untypisches Rollenspiel. Zum einen gibt es keine freie Charakterwahl und auch keine typische Klassenzuweisung, dafür könnt ihr eure Fertigkeitspunkte aber nach eigenem Ermessen eher in körperliche oder magische Fähigkeiten investieren und somit zur Kampfmaschine mutieren, oder aber zur bösen Schwarzmagierin. Wir haben uns für den goldenen Mittelweg entschieden und sowohl Kampfkünste als auch Magie erforscht, denn Stufenanstiege und Fertigkeitspunkte spendiert VENETICA zuhauf, wenn man sich darauf einlässt. Dafür sieht es im Bereich Ausrüstung eher mager aus: nur wenig Waffen unterschiedlicher Sorte gibt es, und in der Regel werdet ihr euch sowieso jeweils auf die Beste in der jeweiligen Waffengattung verlassen. Rüstungen gibt es zwar auch, jedoch müsst ihr erst einmal eine finden, bevor diese an eure Größe angepasst werden kann, und das kostet nicht schlecht.

Die Interaktionen mit den NPCs sind allesamt recht gut synchronisiert, es macht Spaß, die Welt zu erkunden und auch jede noch so unwichtige Nebenquest zu erfüllen, denn die Spielwelt von VENETICA fühlt sich tatsächlich lebendig an. Wisst ihr mal nicht weiter, kann euch ein Zauberspruch die Richtung zur nächsten Quest anzeigen. Das Kampfsystem ist mit ein wenig Übung eingängig und gut konzipiert, jedoch spielt euch die Kamera insbesondere bei engeren Arealen ab und an einen Streich.

Die Grafik des Spiels ist für ein Rollenspiel typische aufgemacht: viele unterschiedliche Grafikelemente im Umfeld fordern ihren Tribut, womit die eigentlichen Texturen insgesamt etwas flach rüberkommen und einen mittelmäßigen Eindruck hinterlassen. Da hat man bei manchem Ego-Shooter schon deutlich besseres zu Gesicht bekommen, allerdings auch schon manch schlechtere Grafik gesehen.

Habt ihr erst einmal den ersten Bossfight hinter euch, dann habt ihr bereits eine Menge von VENETICA gesehen und könnt in etwa einschätzen, was euch sonst noch so erwartet. Die Cutscenes führen euch in der Handlung weiter und verraten dem Spieler leider teilweise auch Wissen, dass Spielfigur Scarlett nicht hat. Wer sich von solchen Kleinigkeiten, einer ab und an etwas verbesserungswürdiger Kameraführung und dem Fehlen vieler unterschiedlicher Waffen und Rüstungen nicht abschrecken lässt, wird hier ein Spiel finden, dass vor allem mit Inhalt und Story punkten kann und gerade im Umgang mit den NPC´s zeigt, wie viel Liebe zum Detail die Entwickler hier hatten, um das Spielgefühl zu intensivieren.