Izo – The world can never be changed

Die Welt kann nicht verändert werden. Wer den Film IZO sieht, versteht, was die Macher damit meinen, das mag aber vielleicht auch das Einzige sein, was einem hier verständlich erscheint. In der Gestalt des grausam hingerichteten Izo wird der Hass der Menschheit personifiziert und auf alle losgelassen, die sich ihm in den Weg stellen.

Izo trachtet nach Rache an denen, die für sein grausames Schicksal verantwortlich sind, bzw. die er dafür verantwortlich hält. Scheinbar unsterblich, metzelt er zunächst seine ehemaligen Feinde nieder, springt von Szenerie zu Szenerie, kreuz und quer durch Raum und Zeit, und mordet sich vorwärts. Anfänglich kann der Zuschauer noch verstehen und nachvollziehen, wen er da tötet und warum (einstige Feinde, eine abgelegte Geliebte, seine Mutter, …), doch mit fortlaufender Handlung wird das Bild abstruser. Da tauchen plötzlich Dämonen auf, die ihn töten wollen, dann wieder Militärs, Polizisten, Prügeltrupps der Yakuza… Egal, Izo mäht alle mit seinem Katana nieder. Wie wir (und er selbst auch) feststellen, gehen diese Morde aber nicht spurlos an ihm vorbei: je mehr Menschen er tötet, desto mehr entfernt er sich selbst von seiner Menschlichkeit, sodass er im letzten Drittel des Films auch nicht mehr halt macht vor unschuldigen Passanten, Familien und kleinen Kindern…
Am Schluss wird er bei dem Versuch, Gott zu töten, besiegt, und ihm wird eine Wiedergeburt mit einer unschuldigen Seele zum Geschenk gemacht.

Das ist die Handlung: Izo mordet viele unterschiedliche Leute, zwischendurch finden Gespräche statt, die einen pseudo-philosophischen Anstrich haben, insgesamt aber häufig nicht einmal im Ansatz verstanden werden können (was unter Umständen aber auch an der Übersetzung aus dem Japanischen liegen kann). Ihr glaubt mir nicht? Ein Beispiel: folgendes Gespräch findet zwischen zwei Leuten statt, deren Bedeutung nicht näher erläutert wird (und auch nicht zwingend erläutert werden muss):
“Alle topologischen Räume entstehen aus der Unvollständigkeit.”
„Um seine Vollständigkeit als Raum irgendwie zu bewahren, stößt der vollständige Raum die in sich entstandene Unvollständigkeit aus und produziert einen ihr entsprechenden Raum des Absurden.“
„Die Unvollständigkeit, die aus der Vollständigkeit heraushängt, ist das Sein des Daseins.“
„Ich bin der Meinung, unser Dasein ist sowieso etwas völlig absurdes, das bedeutet: ein Widerspruch zu sich selbst.“
„Wie lange braucht die Unvollständigkeit, damit sie zur Vollständigkeit zurückkehren kann?“
„Sobald sie den ewigen evolutionären Zustand erreicht hat.“…

Hier hätte mich auch eine Antwort wie „vorletzten Dienstag“ oder „8503 Flügelschläge eines Regenwurms“ oder „die Anzahl der Sonnenstrahlen des morgigen Tages in Sekunden“ nicht verwundert.

Ebenfalls eine wichtige Rolle fällt einem unbeteiligten Gitarrenspieler zu, der in jeder Zeitepoche als stiller Beobachter auftaucht, um im Anschluss das Gesehene mit einem Lied zu kommentieren, das irgendwo zwischen Reinhard Mey (instrumental) und System Of A Down (gesanglich) angesiedelt ist. Stimmig, zumindest in diesem Film!

Stilistisch wird hier mit vielen unterschiedlichen Effekten gearbeitet. Mal wird die Filmaufnahme mit starkem Bildrauschen überdeckt, als wäre es eine ganz alte Aufnahme, dann sehen wir Sequenzen im Zeitraffer, viele Szenen sind mit wackeliger Handkamera gefilmt, dann wieder ein paar Szenen, die über Kopf ablaufen, und auch originale Dokumentaraufnahmen werden verwendet, die dann aber im nächsten Moment wieder mit Farbfiltern bearbeitet wurden…

Eine blutrünstige, sinnlose Schlachtplatte dient hier als Vorlage für philosophische Gespräche und Denkanstöße. Wer sich hiervon über ein wenig in die Länge ziehende zwei Stunden unterhalten lassen will, sollte sich IZO definitiv besorgen. Für die „westliche Welt“ kann dieses Werk allerdings auch ein wenig verstörend wirken. Die Kernaussage, dass man mit Gewalt keinen Frieden erzeugen kann und Rache kein Motiv ist, um seine Seele zu retten, wird mehr als klar, das hätte man aber auch kürzer gestalten können.