Vital

Mit VITAL besprechen wir den zweiten Film aus der „Edition Asien“ von Rapid Eye Movies. Vom Klappentext her wirkt der Film düsterer, als wir es im Nachhinein empfunden haben, nichtsdestotrotz ist VITAL ein weiterer Beweis dafür, dass man auch in Japan durchaus bedrückende Filme drehen kann, die ohne viel Effekthascherei ihre volle Wirkung erzielen.

Der junge Student Hiroshi erwacht aus einem Koma und kann sich an nichts mehr erinnern. Seine Eltern erzählen ihm, dass er einen schweren Verkehrsunfall hatte, bei dem er von einem LKW frontal gerammt wurde. Nachdem seine körperlichen Gebrechen abgeheilt sind, kommt er zurück nach Hause, wo ihm alles fremd erscheint. Erst der Blick in ein paar Medizinbücher lassen ein paar erste Erinnerungen zum Vorschein kommen. Er erinnert sich an die vergangenen Studieninhalte, und geht daraufhin wieder an die Universität. Hiroshis stoische, unnahbare Art macht ihn nicht gerade zum Liebling seiner Kommilitonen, dafür bekommt er allerdings eine Bestnote nach der anderen. Dann steht als nächster Schritt seiner medizinischen Ausbildung ein Anatomiekurs an…

Die junge Frau, die von nun an tagtäglich vor ihm auf dem Operationstisch liegt und Stück für Stück, Schicht für Schicht nach den Vorgaben des Kursleiters obduziert, skizziert und typisiert wird, weckt mit der Zeit Erinnerungen in ihm, nicht zuletzt auch ausgelöst durch die auffällige Tätowierung am Arm. Hiroshi erfährt, dass es sich bei der jungen Frau um seine Freundin Ryoko handelt, die mit ihm im Auto gesessen hat…

In Rückblenden erfährt der Zuschauer über die teilweise recht merkwürdige Beziehung der beiden, die aus einer explosiven Mischung aus Liebe, Verlangen und Todessehnsucht bestanden hat, und man stellt sich immer mehr die Frage, ob der Unfall tatsächlich nicht Hiroshis Schuld gewesen sein mag.
In dieser Situation sucht Ikumi Hiroshis Nähe, eine Mitstudentin, die ebenfalls eher fragwürdige Verlangen hat (so zählt zu ihren Gemeinsamkeiten beispielsweise das Würgen bis zur Bewusstlosigkeit, was Hiroshi immer wieder in Ryokos Welt bringt…). Ihre krampfhafte Zuneigung ihm gegenüber ist aber einseitiger Natur.

Hiroshi selbst verliert über die Zeit immer mehr den Bezug zur Realität, führt in Wachträumen Gespräche mit Ryoko, sehnt sich danach, bei ihr zu sein, sucht ihre Eltern auf, um nähere Informationen zu ihren letzten Stunden zu erhalten. Er ist sich nicht mehr sicher, welche Welt nun die reale Welt ist: die, in der er mit Ryoko zusammen sein kann, oder die, wo sie tot vor ihm liegt. Als Zuschauer erkennt man den seelischen Verfall Hiroshis, fühlt sich immer mehr in seiner Zuschauerrolle als Voyeur, als würde man diese intimen Momente zwischen Hiroshi und Ryoko stören…

Wie bei allen „Edition Asien“ Filmen ist es durchaus von Vorteil, wenn man die Mentalität des Landes zumindest ein wenig versteht, zwingend erforderlich ist es hier allerdings nicht. VITAL möchte nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern eher eine Stimmung ausdrücken. Der Film handelt von der Suche nach sich selbst, den merkwürdigen Wegen, die das Leben nehmen kann, und dem Ziel, das man sich als Sinn des Lebens vorstellen mag. Insgesamt wirkt dies alles hier sehr düster und bedrückend, kann allerdings nicht wirklich Spannung aufbauen, was dem Film noch das Tüpfelchen aufs i gesetzt hätte. So bleibt am Ende der Spielzeit die Frage, warum kein Spannungsbogen erzeugt wurde, sondern einfach nur eine von Anfang an vorherrschende Beklemmung erzeugt wird, die auch am Schluss nicht deutlich aufgelöst wird, auch wenn die Geschichte durch die Einäscherung von Ryoko ein klares Ende hat.