Unaussprechliche Kulte (Truant Spiele/Nosolorol Ediciones)

„Betrachte den Cthulhu-Mythos aus einer völlig neuen Perspektive. Entdecke den geheimen Krieg um die Macht und die Gunst der alten Götter, der in der heutigen Welt geführt wird. Nutze die Kräfte des Mythos für deine eigenen Zwecke, ohne dabei in eine Spirale aus Wahnsinn und Zerstörung zu geraten. Du bist nun ein Teil der Unaussprechlichen Kulte!
In diesem Rollenspiel-Regelwerk finden sich:
– vollständige Regeln zur Charaktererschaffung und zur Spielgestaltung: Action, Kampf, Verstand, Degeneration, Kulte, Magie… Alles, was man zum Spielen braucht.
– detaillierte Informationen zum Cthulhu-Mythos heute, einschließlich der Geschöpfe und Hauptgötter des schrecklichen Universums von H.P. Lovecraft sowie zahlreiche Beispiele von Kulten und Artefakten.
– Tipps für eigene Kampagnen mit zwei einführenden Abenteuern.

Din A4 Hardcover, 290 Seiten, inkl. Leseband
von Manuel J.Sueiro, Ricardo Dorda, Luis Barbero & Jokin Garcia
Titelbild: Javier Charro; Innenillustrationen: Borja Pindado Arribas & Marga F. Donaire
Deutsche Ausgabe Herausgeber: Mario Truant
Übersetzung: Tobias Bernhard, CHristian Beier, Jens Schumacher

Fazit: Unaussprechliche Kulte ist, wie der Name schon vermuten lässt, ein im Cthulhu-Mythos verankertes Rollenspiel. Wir haben es also mit kosmischen Horror-Mächten zu tun, den Großen Alten, die versuchen, auf dieser Welt Fuß zu fassen. Die Spielerinnen und Spieler schlüpfen hierbei in die Rollen von „Ermittlern“, die… Halt, Moment, eben NICHT! Unaussprechliche Kulte verfolgt einen erfrischend anderen Weg, denn hier seid ihr zwar auch in der Ausgangssituation erst einmal „normale Menschen“ mit einem ggf. normalen Beruf, aber im Gegensatz zu vielen anderen Cthulhu-geprägten Rollenspielen ist es nicht zwingend eure Aufgabe, dass ihr euch gegen die böse Bedrohung stellt und die Welt rettet, sondern die Spielercharaktere sind selbst Mitglieder eines eigens gegründeten Kults, der sich der übernatürlichen Kräfte gewahr ist und diese, in welcher Form auch immer, zu seinen eigenen Zwecken nutzen will, sei es eine reine Erforschung, faszinierte Anbetung, Fanatismus, bis hin zu wirklich „bösen“ Kulten, die die Welt ins Chaos stürzen wollen, indem sie die sprichwörtlichen Pforten zur Hölle öffnen. Als Hauptmotivation ist die Gruppe also nicht zu einem höheren Zweck unterwegs, sondern stets zum eigenen Vorteil. Dies kann auch mal eine Mission sein, bei der sie einen konkurrierenden Kult aufhalten müssen, Wettrennen um Wissen oder Artefakte, etc.


Das Buch ist hierbei recht ordentlich strukturiert. Kleine Kurzgeschichten (insgesamt zehn Stück) leiten die jeweiligen Kapitel stimmig ein, ohne dabei allzu viel Fluff zu bieten. Fast schon obligatorisch ist der Einstieg in die Materie mit der Fragestellung „Was ist ein Rollenspiel?“, hier wird in der Einleitung aber auch auf H.P. Lovecraft eingegangen und der Unterschied von diesem Rollenspiel zu anderen Cthulhu-Spielen erklärt.
Das zweite Kapitel widmet sich direkt der Charaktererschaffung. Da Unaussprechliche Kulte viel mit Aspekten und wenig mit Werten arbeitet, wird dies noch einmal anschaulich durch ein paar vorgefertigte Charaktere dargestellt. Zwar werden hier auch Punkte für die Haupteigenschaften verteilt, diese werden aber durch einen Aspekt direkt „erklärt“, ein besonders starker Charakter könnte zum Beispiel mit „tägliches Workout“ beschrieben werden.
Im direkten Anschluss wird das Regelsystem erklärt, damit man auch weiß, welche Vor- und Nachteile diese Werte und Aspekte bringen können. Im Prinzip ist das Regelsystem gleichzeitig simpel als auch komplex. Es wird mit 3W10 gewürfelt, und diese Ergebnisse werden nach ihrer Höhe sortiert. So gibt es einen unteren Wert, einen mittleren Wert und einen hohen Wert. Im Normalfall wird der mittlere Wert verwendet, und zu diesem werden die Fertigkeits- und Attributswerte hinzuaddiert. Mit dem Ergebnis muss ein im Vorfeld festgelegter Schwierigkeitswert von der Spielleitung erreicht oder übertroffen werden, um einen Erfolg zu erzielen. Kann ich nun Aspekte sinnvoll nutzen, wird dies als Vorteil gewertet und ich kann den oberen Wert nutzen, oder ich kann mit Aspekten Würfelergebnisse neu rollen, bei einem Pasch die Pasch-Summe anstelle des oberen Wertes verwenden etc. Hierfür muss ich Dramapunkte ausgeben, die ich aber umgekehrt bei Nachteilswürfen auch wieder sammeln kann.
Dadurch kann ich einen negativen Aspekt (zum Beispiel „hat Angst im Dunkeln“) auch nutzen, um Vorteile in bestimmten Situationen zu erzeugen („Weil mein Charakter Angst im Dunkeln hat, geht er gerade ganz besonders vorsichtig und aufmerksam vor…“).


Das eigens entwickelte Hitos-Regelsystem schafft dabei einen Spagat zwischen normalen Würfelwürfen und erzählerischem Rollenspiel.
Auch beim Kampf werden die drei Würfel direkt genutzt, um nach einem Treffer auch direkt den erzeugten Schaden zu ermitteln. Das fordert zunächst alles ein wenig Eingewöhnung, wenn man es aber erst einmal verinnerlicht hat, wird das Spiel dadurch deutlich flüssiger als manch anderes Regelsystem.
Im vierten Kapitel geht es um den erzählerischen Hintergrund von Unheimliche Kulte. Eine tiefere Erklärung vom Cthulhu-Mythos, die Portierung des Mythos in die Gegenwart (viele Cthulhu-Spiele sind vor ca. 100 Jahren angesiedelt), etc.
Das fünfte Kapitel widmet sich den Kreaturen, die den Mythos ausmachen, die dazugehörigen Götter werden vorgestellt, die Großen Alten sowie weitere Cthulhu-Kreaturen, die es ggf. schon auf diesen Planeten geschafft haben. Dabei möchte ich an dieser Stelle die grafische Gestaltung lobend hervorheben, denn auch hier versucht man sich an einem teilweise neuen Ansatz zu ansonsten schon etablierten Geschöpfen.
Kapitel sechs dreht sich nun um die Kulte. Wie verhält sich ein Kult in der Kampagne, welche spielerischen Vor- und Nachteile ergeben sich hieraus, wie erschaffe ich meinen eigenen Kult, welche bekannten Kulte gibt es in der Welt bereits. Hier können die Spielerinnen und Spieler ihre Hauptmotivation für den Kult definieren, in dem sie sich als Spielercharaktere bewegen wollen, und hier wird auch die Ausrichtung des zukünftigen Rollenspiel-Grundtons festgelegt: habe ich einen eher rechtschaffenen Kult, der sich auf die Erforschung des Mythos beschränkt, oder habe ich es mit einem absolut eigennützigen Kult zu tun, der alles tun würde, um die eigene Macht zu mehren?
Je mehr sich die Spielercharaktere dem Mythos „hingeben“ bzw. dem Mythos verfallen, umso weniger menschlich sind sie. Dies wirkt sich nicht nur charaktertechnisch, sondern auch optisch aus und führt zu Degenerationspunkten. Hat man zu viele hiervon gesammelt, wird der Charakter zu einem nicht mehr spielbaren NPC, entsprechend muss man sich auch ein wenig davor hüten, die Macht des Mythos allzu oft zu missbrauchen.
Dies alles und das Magiesystem von Unaussprechliche Kulte findet sich im Kapitel sieben wieder.
Das achte Kapitel ist für die Spielleitung gedacht. Hier wird noch einmal die Rolle der Spielleitung erklärt, wie man mit der übernatürlichen Macht umgeht, die einem zur Hand gelegt wird, wie man ggf. eigene Kreaturen erschaffen kann, und wie man einzelne Abenteuer und Kampagnen gestaltet.


Das letzte Kapitel bietet zwei Abenteuer, damit ihr schnell in die Materie einsteigen könnt, ohne erst selbst ein Abenteuer entwerfen zu müssen. Hierbei ist das erste Abenteuer tatsächlich gedacht für Spielercharaktere, die bislang noch keinen Kontakt oder keine Verbindung zum Mythos hatten und erstmalig davon erfahren, wohingegen das zweite Abenteuer für einen bereits bestehenden und „etablierten“ Kult geschrieben ist.
Abschließend gibt es noch ein paar letzte Worte, die OGL, Kopiervorlagen für Charakterbögen und Kultbögen sowie einen übersichtlichen Index.

Es gibt eine Menge Cthulhu-Regelwerke, Unaussprechliche Kulte hebt sich von den meisten durch den etwas anderen Ansatz ab (wir spielen nicht per se die Behüter von Ordnung und Gerechtigkeit). Ebenfalls ist der Mittelweg zwischen normalen Würfel-Regeln und erzählerischem Rollenspiel ebenfalls recht gelungen. Einen kleinen Abzug gibt es für die fehlende Übersicht bei den Fertigkeiten, die durch Symbole zusammengefasst werden, da die Fertigkeiten aber als Aspekt individuell benannt werden, wäre hier das entsprechende Fertigkeitswort (Sportlichkeit; Kampf; Interaktion; Wahrnehmung, Heimlichkeit; Bildung; Profession; Mythos; Arkanes Wissen) sicherlich zielführender bzw. Benutzer-freundlicher gewesen, auch wenn der Charakterbogen so natürlich ziemlich aufgeräumt wirkt auf den ersten Blick.
Das ist allerdings Jammern auf recht hohem Niveau. Denn unterm Strich bleibt Unaussprechliche Kulte ein Rollenspiel mit vielen neuen Ansätzen, die allesamt für sich funktionieren und damit das Rollenspieluniversum um den Cthulhu-Mythos bereichern.