Kein Sterbenswort

Manche Dinge sind einfach zu idyllisch, um von Dauer zu sein. So erfährt es auch der Kinderarzt Alexandre in KEIN STERBENSWORT, der eine glückliche Ehe mit seiner Sandkastenliebe führt. Eines Nachts wird seine Frau Margot ermordet, er selbst wird zwar Ohrenzeuge dessen, wird aber von den Mördern bewusstlos geschlagen.

Acht Jahre später erhält Alexandre eine mysteriöse Email, die darauf hindeutet, dass seine Frau noch am Leben ist. Natürlich macht er sich auf die Suche, und gerät dabei immer tiefer in einen Sumpf aus Lügen, Verschleierungen und Vortäuschung falscher Tatsachen, bis er selbst im Fadenkreuz der Polizei landet. Ist Margot nun noch am Leben, und wenn ja, warum meldet sie sich erst acht Jahre nach ihrem Verschwinden bei ihm?!? Vor dieses Rätsel und noch viele mehr wird der Zuschauer gestellt, und im Verlauf des Films wendet sich das Blatt so schnell und häufig, dass man bis zur letzten Minute nicht genau weiß, was nun an Margots vermeintlichen Todestag tatsächlich passiert ist.
Genau das ist es auch, was diesen Film so spannend macht: als Zuschauer weiß man zu keinem Zeitpunkt mehr als Alexandre (gespielt von Francois Cluzet), in vielen Momenten sogar noch weniger. Dessen Charakter durchläuft unterschiedliche Stadien der Verzweiflulng, und analog zu dieser Entwicklung wird er auch von Stufe zu Stufe rabiater, was seine Vorgehensweisen betrifft. Aus dem anfangs so rechtschaffenen Kinderarzt wird bis zum Ende des Films eine Person, die sogar fähig wäre, einen Mord zu begehen. Diese Entwicklung ist für den Zuschauer allerdings absolut nachvollziehbar und schlüssig, man leidet mit dem Hauptdarsteller mit.

Der Film, der auf dem Bestseller-Roman ‚Tell No One’ von Harlan Coben basiert, kann zwar nicht mit großen Namen herhalten, dafür sind die Gesichter im Film aber alle gänzlich unverbraucht und die Schauspieler überzeugen durch ihre Charaktergestaltung, nicht durch schon von vornherein festgelegte Werte (man kennt das ja irgendwie: Julia Roberts hat beispielsweise schon im Vorfeld eine festgelegte Rolle, ohne dass der Film gestartet haben muss).
Wer Thriller mag, die auch mal etwas ruhiger daherkommen können, nicht mit großen Namen oder überragenden Effekten auftrumphen müssen, der wird mit KEIN STERBENSWORT richtig glücklich werden. Ein Film, bei dem man in erster Linie hinschauen und hinhören muss, bei dem eigene Schlüsse in der Regel vorschnell und in die falsche Richtung gehen, der aber insbesondere durch die intensiven Gefühle, die die Hauptfigur durchlebt, an Reiz gewinnt.