Dedales

Claude sitzt in einer Irrenanstalt und muss sich den Analysen von Dr. Freud stellen. Der ruft seinen Kollegen Brennac zu Hilfe, denn die Aufgabe ist brisant: ist Claude tatsächlich eine multiple Persönlichkeit, oder spielt sie dies nur, um ihrer Strafe zu entgehen? Denn Claude hat 27 Menschen umgebracht…

Wie sich in den Sitzungen herausstellt, ist Claude sich ihrer Lage überhaupt nicht bewusst, denn sowohl Freud als auch Brennac bekommen lediglich andere Persönlichkeiten zu sehen, Claude selbst bleibt „schlafend“, wie ihnen erzählt wird.
Die unterschiedlichen Persönlichkeiten entspringen scheinbar allesamt der griechischen Mythologie und sind um das Labyrinth des Minotaurus gelagert. So trifft Brennac auf Ariadne, Tochter des König Minos, die den Bau des Labyrinths beauftragt hat, Daidalos, den Architekten des Labyrinths, auf den brutalen Minotaurus selbst sowie Theseus, den späteren Bezwinger des Minotaurus. Ob das natürlich alle Persönlichkeiten sind, die sich in Claude´s Körper vereinen, ist nicht sicher, und vor allem weiß Brennac nicht: wer davon ist der Mörder?

In Rückblenden erfahren wir zwischendurch immer wieder ein paar Einzelheiten zu den Gegebenheiten, die letztendlich zu Claudes Verhaftung geführt haben. Dabei spielen die Ermittlungen eines Profilers eine zentrale Rolle, der in Form von Visionen das tatsächlich Geschehene erkennt und der Polizei somit die notwendigen Hinweise liefern kann, wo sie nach den Opfern suchen müssen…

Auch wenn sich das mit den 27 Morden sicherlich extrem blutrünstig anhört, so ist DEDALES insgesamt eher ein ruhiger Film. Als Zuschauer fühlt man eine Art Sog, der einen immer tiefer in das Geschehen zieht, der uns miträtseln lässt, welche Persönlichkeit gemordet hat, was Auslöser für die Morde war. Wir werden sozusagen selbst zum Psychiater, um das letzte Opfer zu schützen, denn soviel wird deutlich: die Parallelen zum Minotaurus sind nicht ganz zufällig, und so erklärt sich auch, dass die im antiken Griechenland geforderten Opfer von sieben Männern und sieben Frauen pro Jahr auch in diesem Mordfall eine Rolle spielen. Wonach Claude ihre Opfer allerdings ausgesucht hat, scheint fast schon willkürlich zu sein (was die Polizei vor ein weiteres Problem setzt: wie soll man jemanden schützen, wenn es theoretisch jeden treffen könnte?).

Der Film brilliert durch das hervorragende Charakterspiel von Sylvie Testud, die Claude gekonnt darstellt und jeder einzelnen Persönlichkeit ihre eigene Facette auflegt. Der Wechsel zwischen diesen Figuren ist durchweg klar erkenntlich, selbst, wenn sie ohne Text hin- und her springt.
Auch Lambert Wilson (manchen aus Matrix Reloaded als „Merowinger“ bekannt) macht seine Sache als Brennac ganz ausserordentlich gut, mal fast schon besessen von dem Fall, dann wiederum abgestoßen und fest entschlossen, alles hinzuschmeißen…

DEDALES überrascht mit einem Knaller am Ende, den wir nicht verraten wollen, und auch Vergleiche zu anderen Filmen würden zu viel verraten. Wer gerne Filme mit unerwarteten Wendungen ganz zum Schluss mag, der ist hier richtig aufgehoben. DEDALES ist mal wieder ein Film, der den Geist anregt, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, und nicht einfach nur berieseln zu lassen. Die starke schauspielerische Leistung sorgt dafür, dass das gut durchdachte Skript im Nachhinein auch für den Zuschauer verständlich bleibt.