London, Ende des 19. Jahrhunderts: ein Detektiv wird regelmäßig vom Scotland Yard zu Rate gezogen, wenn dieser mit der Auflösung eines Kriminalfalls nicht zurechtkommt. Die Rede ist natürlich von Sherlock Holmes. In DAS TESTAMENT DES SHERLOCK HOLMES schlüpfen wir in die Rolle der Meisterspürnase (und ab und an auch in die Fußstapfen seines Freund und Helfers Doctor Watson), um ein Verbrechen aufzuklären, bei dem wir alsbald selbst als Tatverdächtiger vom Yard gesucht werden…
Zunächst einmal: wer ein rasantes Actionspektakel im Stil der letzten Sherlock Holmes-Filme mit Robert Downey Jr. erwartet, den müssen wir enttäuschen. DAS TESTAMENT DES SHERLOCK HOLMES zeigt eher den „klassischen“ Holmes, der mittels messerscharfen Verstandes ein jedes Rätsel zu lösen in der Lage ist. Und genau auf diese Art und Weise werdet ihr auch an die Steuerung und das Spielprinzip ganz sachte herangeführt. Ein mysteriöser Diebstahl einer Perlenkette in einem abgeschlossenen Raum bedarf eurer Aufmerksamkeit. Zunächst wird der Tatort eingehend inspiziert. Sämtliche für den Fall relevanten Spuren werden, sobald ihr euch dicht genug daran wagt und auch in die richtige Richtung schaut, durch eine Lupe hervorgehoben, und ihr könnt sie anschließen analysieren, Indizienbeweise könnt ihr aufheben, und wenn ihr dann wirklich alles betrachtet habt, zieht Holmes (zumindest noch im Tutorial) die richtigen Schlüsse. Später im Spiel werden alle wichtigen Fakten in einer Art Notizheft sinngeordnet festgehalten, und aus den einzelnen Fakten und Indizien könnt ihr dann aus einer kleinen Auswahl die hoffentlich richtigen Schlüsse ziehen (die dann deutlich als richtig markiert werden), um früher oder später den Täter dingfest zu machen. In eurem Zuhause könnt ihr zudem die Beweismittel speziellen Analysen unterziehen, was euch dann zusätzliche Eintragungen im Notizbuch beschert, etc.
Das Point-and-Click-Adventure-Geschehen, bei dem ihr ab und an diese logischen Schlüsse ziehen müsst, wird durch andere Kopfnüsse aufgelockert, die teilweise recht hart sein können. Als Beispiel sei hier eine Situation genannt, in der ihr herausfinden müsst, unter welcher Bodenplatte etwas versteckt ist. Hierzu müsst ihr mit einer Springerfigur aus einem Schachspiel alle Platten einmalig berührt haben (natürlich dürft ihr den Springer nur nach Schachregeln bewegen), ohne in eine Sackgasse zu geraten, und die letzte Platte ist dann des Rätsels Lösung. Gar nicht so einfach, aber lösbar. Hat man diese Rätsel dann irgendwann geschafft, ist das Erfolgserlebnis umso größer.
Bei den Gesprächen und Befragungen habt ihr unterschiedliche Themen oder Herangehensweisen, aus denen ihr auswählen könnt. Freundlich fragen, drohen oder erpressen? Sherlock Holmes hat ganz klar nicht nur die Gentleman-Methoden im Repertoire, und genau das ist es im Endeffekt vielleicht auch, weswegen man mit der Zeit gar nicht so sicher ist, ob die Anschuldigungen gegen den Detektiv nicht vielleicht doch tatsächlich richtig sind…
Grafisch liegt DAS TESTAMENT DES SHERLOCK HOLMES irgendwo im Mittelfeld. Einen Preis kann man mit den Texturen und Animationen nicht gewinnen, wirklich störend empfindet man das beim Spielen allerdings auch nicht. Bei der Synchronisation hat man sich Mühe gegeben, allerdings sind die Sprecher allesamt etwas träge, sodass man mit Untertitel lesen deutlich schneller voran kommt und dann die jeweiligen Sprachabschnitte überspringen kann…
Für Rätselfreunde und Hobbykriminologen ist dieses Spiel eine gelungene Abwechslung vom typischen Action-Spiel auf der Heimkonsole. Hier geht alles etwas gemächlicher zu und bedarf deutlich mehr Hirnschmalz als Fingerfertigkeit am Controller. Alleine diese Tatsache macht das Spiel sehr attraktiv, denn hier bekommt man keinen Einheitsbrei vorgelegt, sondern vielmehr ein Spiel, das von seiner Idee her auch gut in die Neunziger gepasst hätte…