Enslaved – Odyssey to the West (Xbox 360)

Mit großer Spannung habe ich ENSLAVED- ODYSSEY TO THE WEST erwartet, stammt es doch aus dem Hause Ninja Theory, die mir schon mit ihrem letzten großen Werk “Heavenly Sword” so manche schlaflose Stunde bereitet haben.
ENSLAVED setzt die Tradition, eine aufwendige Geschichte erzählen zu wollen, konsequent weiter, und vermag inhaltlich und von der Charakterdarstellung her mindestens genauso stark zu fesseln. Wie es ansonsten um das Spiel bestellt ist, erfahrt ihr hier…

Irgendwie fängt alles mittendrin an, aber dennoch am Anfang: wir befassen uns nicht mit Monkeys Vergangenheit, sondern lernen ihn in einer misslichen Lage kennen: als gefangener Sklave auf einem Transportschiff. Als ob diese Lage nicht schon misslich genug wäre, ist das Trasportschiff gerade dabei, abzustürzen. Wir beobachten ein Mädchen, dass sich irgendwie aus ihrer Gefängniskapsel befreien konnte, und auch wir sind Sekunden später frei. Nun verfolgen wir die Unbekannte und müssen dabei einen Wettlauf gegen die Zeit bestehen, denn: das Raumschiff verfällt zusehends, die Zeit bis zum Aufschlag wird knapp, und es sind nur noch ein paar wenige Rettungskapseln verfügbar, wie uns die Computerstimme über die Lautsprecherdurchsagen mitteilt.
Ganz klar: die Flucht vom Raumschiff ist nur ein ins Spiel integriertes Tutorial, bei dem wir die grundlegenden Funktionen wie Springen und Klettern, Bewegung und Kampf erlernen. Spezielle Techniken und die Interaktion mit der Unbekannten folgen erst im späteren Spielverlauf!
Nachdem wir mehr oder weniger unsanft aus dem Transporter entkommen, soll sich unsere Lage aber nicht sonderlich verbessern. Das Mädchen, dass sich uns als Trip vorstellt, hat unsere Ohnmacht nach der Landung ausgenutzt, um uns ein Sklavenstirnband anzulegen, mit dem sie uns voll unter Kontrolle hat und bestrafen kann, wenn wir nicht ihren Befehlen gehorchen… Und somit ist unser Schicksal an das ihre gekettet, und wir müssen uns bemühen, ihren Wünschen gerecht zu werden, um auch unser Ziel, die Freiheit, zu erreichen.
Dass wir die holde Schönheit hierzu durch eine von bösartigen Robotern besetzte Endzeit-Welt schleusen müssen und ihr Wohl dem unseren überordnen, stellt die Brisanz dieser Situation dar.

Man merkt dem Spiel schon deutlich an, dass man bei Ninja Theory in erster Linie versucht hat, glaubhafte Spielcharaktere zu erschaffen. Nicht umsonst hat man sich für die Darstellung der Hauptfigur Monkey niemand geringeren als Andy Serkis ins Boot geholt, der ein riesiges Erfahrungspotential im Spielen für Motion Capturing hat: Gollum im Herrn der Ringe, Kong in King Kong, und auch in Heavenly Sword hatte er eine Rolle, nämlich die des Königs Bohan. Für die Dialoge konnte der Drehbuchautor Alex Garland gewonnen werden, der unter anderem das Drehbuch zu „28 days later“ schrieb.

Um diese Charaktere und die Atmosphäre des Spiels glaubwürdig zu gestalten, ist eine entsprechende Grafik vonnöten. Die Unreal Engine, die hier einmal mehr gefordert wurde, kann zwar nicht mehr mit den ganz brandaktuellen Grafikengines mithalten, leistet aber dennoch weiterhin gute Dienste und vermittelt eine Stimmung, bei der man sich relativ schnell in das Geschehen hineinversetzt fühlt und alles um einen herum vergisst. Insbesondere die flüssigen Bewegungsabläufe in den Kletterpassagen wissen zu gefallen, auch wenn hier ein wenig zu einfach gearbeitet wurde: Sprünge ins Leere gibt es einfach nicht, darauf reagiert Monkey nicht. Des einen Freud, des anderen Leid: man hat ein wenig das Gefühl, zu sehr bei der Hand genommen zu werden, dafür stellen sich so aber auch keine Frustmomente ein, in denen wir ein ums andere Mal an einem Vorsprung vorbeisegeln, nur um dann irgendwann festzustellen, dass der eigentliche Weg wo ganz anders lang geführt hätte.

Klanglich hingegen muss das Spiel keinerlei Federn lassen. Traumhafte Hintergrundmusik, eine absolut gelungene Synchronisation (die lediglich in den Dialogen ab und an etwas zu leise erscheint), absolut stimmige Effekte. Genauso sollte sich ein Videospiel anhören: lebendig, authentisch, stimmungsvoll!

Auch die Steuerung des Spiels ist keinesfalls überfrachtet. Bestimmte Sonderfunktionen werden euch jeweils noch einzeln angezeigt, damit ihr auch nach einer längeren Spielpause nicht ins Handbuch schauen müsst, um die grauen Zellen aufzufrischen, wie man doch gleich ein Ablenkungsmanöver startete oder wie Monkey sich Trip auf die Schultern hievt. Die Nahkämpfe sind mit wenigen Tasten erschöpft: schwerer Angriff, leichter Angriff, Ausweichen, Blocken, Rundumschlag, Betäubungsschlag. Wer hier die richtige Taktik anwendet, wird auch siegreich sein, ohne dass die Entwickler einem zeilenlange Combos zur Hand geben müssten.

Wenn es einen wirklichen Kritikpunkt am Spiel gibt, so die Tatsache, dass die Kamera nicht immer das tut, was man von einer gut funktionierenden Spielkamera erwarten würde. So kann es durchaus passieren, dass insbesondere im Kampf gegen mehrere Roboter die Übersicht flöten geht, wenn ihr eure Angriffe zunächst auf einen einzelnen konzentriert oder ihr in einen Bereich ausweicht, in dem keiner eurer Gegner steht (was in der Regel der Sinn beim Ausweichen ist). Statt hier mit Zoom zu arbeiten, sucht ihr dann erst einmal auf gut Glück in einer Richtung, ob denn die restlichen Gegner sich nicht eventuell um euch herum bewegt haben.

ENSLAVED – ODYSSEY TO THE WEST ist ein rundum gelungenes Action-Adventure, das in allererster Linie von seiner interessanten Geschichte und den absolut überzeugenden Charakteren lebt. Es gibt technisch sicherlich aktuelle Genre-Vertreter, die hier die Nase vorn haben, aber wer Action-Adventures liebt, kommt an ENSLAVED eigentlich nicht vorbei!