Il Divo

„Ich bin mir bewusst, dass ich von mittlerer Statur bin. Doch wenn ich mich umschaue, sehe ich keine Giganten.“ (Giulio Andreotti)

25 Mal Minister, 7 Mal Premierminister, 29 Mal angeklagt, 29 Mal freigesprochen – „Il Divo“ ist ein Mafia-Thriller im Stil von „Gomorrha“, der den siebenfachen italienischen Premierminister Giulio Andreotti als tragikkomischen und gefährlichen Machtdompteur inmitten eines Zirkus der Eitelkeiten, der Korruption, des Verbrechens und des Sex vorführt.

Italien nennt ihn den Buckligen, den Fuchs, den schwarzen Papst, die Ewigkeit, den Mann im Dunkeln, sogar Beelzebub. Guilio Andreotti ist einer der bedeutendsten und zugleich umstrittensten italienischen Politiker der letzten 50 Jahre. Trotz aller Anfeindungen, Andreotti stört das nicht, denn er hat einen ausgeprägten Sinn für Humor. Schon seine Mutter meinte, dass man, wenn man über einen Menschen nichts Gutes sagen könne, lieber schweigen sollte. Und so schweigt Andreotti. Ruhig, listig und undurchschaubar ist Andreotti ein Synonym für die Macht Italiens in den letzen Dekaden bis Anfang der Neunziger. Für seinen Erfolg gibt es einen Grund: Verschwiegenheit. Und sein privates Archiv über die Laster der politischen Gegner. Andreotti vergisst nichts. Jahre würde es dauern, bis er alle Geheimnisse ausgeplaudert hätte, die er kennt.

Anfang der neunziger Jahre scheint Andreotti mit der Kandidatur für den Präsidenten der Republik auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Alles hatte er bisher überstanden, etwa die politischen Morde an Journalisten und Bankiers und seine womögliche Mitwisserschaft sowie das Drama um seinen Weggefährten Aldo Moro, vor Andreotti Ministerpräsident, wie dieser Parteimitglied der Democrazia Christiana, der von der linksextremen Terrororganisation der Roten Brigaden entführt und ermordet wurde. Die Dinge könnten nicht besser für ihn stehen. Doch dann erklärt die stärkste Gegenmacht in Italien ihm den Krieg. Die Mafia. Sie scheint ihn fallen zu lassen. Und der Staat beginnt mit seinen Ermittlungen gegen ihn.

IL DIVO bestätigt auch noch im Zeitalter Berlusconis, dass Politik in Italien etwas ganz anderes als im restlichen Europa ist. Korrupt und mafiös, verschlungen und hinterhältig, für den Außenstehenden nicht immer zu verstehen. Und hier offenbart der an sich lobenswerte Film seine Schwächen: ohne ein Lexikon oder ein permanentes Klicken durch Wikipedia ist der cineastische Beitrag in seiner ganzen politischen Aussagequalität kaum zu durchdringen. Da ihm das Dokumentarische weitestgehend fehlt, er nicht chronologisch vorgeht und er wenig erklärt, bleiben die Bilder eines kleinen und zu belächelnden Andreottis – durchaus genial gespielt von Toni Servillo – zurück, jedoch bleibt der historische Kontext weitestgehend bruchstückhaft. Insofern ist IL DIVO alles andere als einfaches Feierabendprogramm, sondern bedarf einer gezielten Aufmerksamkeit und Beschäftigung. Doch wahrscheinlich würde es einem Italiener nicht anders gehen, sähe er den in Deutschland viel gerühmten Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ über den Terror der RAF.