Fast schon unverschämt lange haben Rollenspieler auf ein vernünftiges Hack´n´Slay / Upleveling-Rollenspiel für Konsole warten müssen. Diese Kritik trifft vor allem die Hersteller, die bislang noch nichts wieder in der Richtung unternommen haben. Ascaron liefert uns mit SACRED 2 – FALLEN ANGEL die ebenfalls schon lange überfällige Adaption des PC-Hits, und dafür gebührt ihnen unser tiefster Dank. Dass dabei ein hervorragendes Spiel entstanden ist, das einem lange und ruhelose Nächte beschert, erfreut umso mehr.
Gesucht sind alle die, die sich an ‚Diablo’ nicht satt spielen konnten, die ‚Baldurs Gate 1 & 2’ sowie ‚Champions of Norrath’ bzw. ‚Champions – Return to arms’ in- und auswendig kannten und mit jeder Charakterklasse das höchste Level erreicht haben, nur um dann zu erfahren, dass es keinen Nachfolger mehr geben würde. Seit dem 29.05.2009 gibt es endlich die Erlösung. SACRED 2 haut voll in diese Kerbe. Charakter erstellen, losrennen, Quests erfüllen, Belohnungen abstauben, den Charakter entwickeln und die Ausrüstung verbessern. Nicht mehr und nicht weniger ist Kerninhalt dieses Spiels. Dass euch diverse Missionen aufgetragen werden, ist hierbei fast schon zur Nebensache geworden. Zwar gibt es einen Haupthandlungsstrang, aber den habt ihr nach spätestens zwanzig Minuten aus den Augen verloren, denn an jeder Ecke steht jemand, der unbedingt die Hilfe eines fähigen Helden benötigt. Da wir gerade in der Gegend sind, bietet es sich ja quasi an, dass wir hier hilfreich zur Seite stehen, und sei es auch nur, um den obligatorischen Keller von Ratten zu befreien (gähn) oder irgendwelche verloren gegangenen Gegenstände zu suchen (schnarch). Eine ehrliche Programmierung würde sagen: „Ich habe keine Aufgabe für dich, aber wenn dir langweilig ist: in dem Keller da ist allerhand Gewürm, das nur dazu programmiert wurde, um von dir erschlagen zu werden, also los, schnapp es dir, Tiger!“.
Wenn es etwas gibt, was euch bei SACRED 2 den letzten Nerv rauben kann, so sind es die ewig langen Wege, die ihr teilweise zurücklegen müsst. Die Karte, die ihr jederzeit aufmachen könnt, ist zwar hilfreich, ebenso wie die Minimap, auf der die Richtung eures aktiven Missionsziels angezeigt wird, allerdings keineswegs selbsterklärend. So folgt ihr stellenweise gefühlte Stunden einem Pfad, um dann festzustellen, dass ihr doch nur an einer Klippe landet. Um euch also die vielen Umwege zu ersparen, solltet ihr, sofern möglich alle Missionen, die ihr an einem Platz findet, parallel annehmen, und dann so viel wie möglich auf einem Weg erledigen. Dass euch dabei dann manchmal 3-4 Nichtspielercharaktere hinterherdackeln, die nicht immer sehr wehrhaft sind, ist die Kehrseite der Medaille. Was das Reisen ein wenig vereinfacht, sind die Teleportpunkte, die ihr allerdings erst einmal aktiviert haben müsst, um sie ansteuern zu können. Da dies nicht mit gespeichert wird, bedeutet das im schlimmsten Fall, dass ihr nach einem Neustart alle Plätze erneut aufsuchen müsst. Also: Immer erst eine Ecke „abgrasen“ und dann weiterziehen, das spart ungemein Nerven. Habt ihr erst einmal genug Geld beisammen, könnt ihr euch auch ein Reittier besorgen, das euch dann schneller zu euren Zielorten bringt.
Die Menüstruktur ist anfänglich ein wenig verwirrend, habt ihr aber erst einmal gelernt, damit umzugehen, läuft das alles wie am Schnürchen. Schon bald habt ihr auch raus, wie ihr Zauber effektiv einsetzt oder verschiedenste Kampfkünste zu einer Combo vereint, die ihr dann ebenfalls über direkten Knopfdruck ausführen könnt. Bei SACRED 2 funktioniert das Magiesystem übrigens nicht über das sonst so handelsübliche Mana, sondern die Zaubersprüche stehen erst nach einer bestimmten Zeit wieder zur Verfügung. So wird verhindert, dass jemand Mana hortet, um dann hunderte von Blitzschlägen zu verteilen.
Die Charakterauswahl ist ein wenig mager, und auch optisch könnt ihr an den einzelnen Figuren leider nichts mehr drehen, was im Endeffekt ein wenig schade ist, aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Dafür ist die Waffen-, Rüstungs-, und sonstige Gegenständeauswahl überwältigend. Wer nicht direkt sieht, welche Waffen am besten geeignet sind, kann über Knopfdruck Vergleiche anstellen.
Wenn man SACRED 2 etwas vorhalten kann, dann ist es die etwas im Hintergrund verschwindende Hauptlinie, die den Charakter inhaltlich vorantreibt. Die vielen unterschiedlichen Kleinmissionen sind zwar extrem spaßig, nichtsdestotrotz ist es immer gut zu wissen, warum man überhaupt die ganzen Strapazen des Heldendaseins auf sich nimmt. Wenn dann noch die ein oder andere animierte Videosequenz dazugekommen wäre, um den ansonsten stets gleichen Spielablauf aufzubessern, das wäre dann die Sahnespitze auf dem Kuchen gewesen (ebenso wie eine Sprachausgabe der Missionen, statt nur Text lesen zu lassen). SACRED 2 spricht die obligatorischen Jäger und Sammler an. Wer Spaß daran hat, seinen Charakter aufzubessern und immer besseres Equipment zu erlangen, der kann sich an diesem Spiel stundenlang aufhalten, ohne auch nur eine Sekunde Langeweile zu verspüren. Wem das zu wenig ist und wer noch ein bisschen Story miterleben will, der sollte vielleicht doch lieber nochmals die „Champions of Norrath“ aus dem Schrank kramen und sich daran versuchen, auch wenn hier dann Umfang und Grafik etwas geringere Anforderungen haben.