Acht Jahre nach Erscheinen auf PC und Mac bringt Daedalic Entertainment nun eine Konsolen-Version von „Harveys neue Augen“ heraus, dem Nachfolger von „Edna bricht aus“. Ehrlich gesagt hatte ich bislang einen Bogen um die Point-&-Click-Adventures aus dem Hause Daedalic gemacht, alldieweil mich der Grafikstil nicht wirklich gereizt hat und die Zeit zum Spielen eh knapp ist. Nachdem ich nun aber einmalig bei „Deponia“ über die Schulter schauen konnte, hatte mich der Humor der Macher dann doch überzeugt und ich habe dem Titel eine Chance gegeben. Und das sollte ich nicht bereuen.
Im Spiel schlüpft ihr in die Rolle der kleinen Lilli, einem Mädchen, das in einer Klosterschule wohnt und dort, wie sich schon sehr bald herausstellt, von allen nur herumgescheucht und schikaniert wird. Aber Lilli ist so schüchtern und knuddelig, dass ihr das selbst gar nicht so sehr auffällt, und entsprechend ist sie auch äußerst bestrebt, die Aufgaben der Oberin sorgfältig zu erfüllen. Dabei geht natürlich einiges schief, und ohne es zu merken dezimiert das kleine Mädchen so nach und nach die Bewohner und Besucher der Klosterschule. Dabei wird dies äußerst humorvoll zu jeder Zeit mit pinkfarbener Sauce übermalt von einem kleinen Gnom, der für Lillis Seelenheil zuständig ist und ihre (bzw. unsere) unschuldigen Kinderaugen vor brutalen Bildern schützt. Geschickt wird hier die FSK 12 erreicht, und trotzdem haben wir eine ziemlich klare Vorstellung der Splatter-Orgie, die da eigentlich stattfindet hahahahaha.
Da die Oberin mit nichts zufrieden ist, was ihr tut, holt sie sich professionelle Hilfe von Dr. Marcel, der Lilli dann auch irgendwann hypnotisiert und ihr geistige Blockaden in den Kopf setzt, wodurch sie bestimmte Dinge nicht mehr tun kann (Feuer machen, Alkohol trinken, …), ohne sich vorher aktiv gegen die Hypnose zur Wehr gesetzt zu haben…
Was tut ihr also im Spiel? Ähnlich wie bei alten Klassikern aus dem Bereich Point & Click sucht ihr die einzelnen Gebiete nach Gegenständen ab, die ihr mitnehmen oder mit denen ihr interagieren könnt, und sprecht so viel es geht mit den anderen NPCs. Durch geschicktes Kombinieren der Gegenstände und Objekte löst ihr so nach und nach die Aufgaben und Rätsel und folgt dadurch der Storyline. Sehr schöne Sache, ich fühle mich in meine Jugend zurückversetzt, wo ich verzweifelt versucht habe, in „The Secret Of Monkey Island“ die Bewegungen vom Kopf des Navigator zu deuten…
Die handgezeichnete Grafik des Spiels ist sicherlich Geschmackssache, ich hätte mir noch ein wenig „mehr“ gewünscht, wovon auch immer, aber so ist das ganze schon recht puristisch sowie gleichsam pragmatisch. Der Humor der Story trifft mich direkt wie ein Vorschlaghammer, es gibt kaum eine Szene, in der ich nicht in mich hineinschmunzeln muss (ohne zu viel spoilern zu wollen, aber zumindest ein Beispiel sei genannt: aus der Kombination von Flunder und Fahrradluftpumpe kann man im Handumdrehen einen Kugelfisch erstellen).
Am Anfang habe ich mich etwas schwer getan, wie ich im Spiel voran komme, aber hat man erst einmal verstanden, wie das Spiel tickt, ist der Rest schon fast selbstverständlich. Lediglich in den Dialogen müsst ihr genau hinhören, wer was sagt, und daraus dann die richtigen Schlüsse ziehen, wenn ihr die Lösung nicht ohne hin ganz schnell auf der Hand liegen habt…
Wer bei den Namen „Zack McCracken“, „Maniac Mansion“, dem bereits erwähnten „The Secret Of Monkey Island“ oder „The Cave“ feuchte Augen bekommt, der ist hier richtig aufgehoben. Viel Spaß mit „Harveys neuen Augen“!