„Bei FATE stehen die Charaktere im Mittelpunkt! Eine Hohepriesterin der barbarischen Horden, ein untoter Revolverheld aus dem Wilden Westen und ein Oberleutnant der intergalaktischen Sicherheitskräfte sind denkbar verschieden, aber sie haben eines gemeinsam: Ihre Geschichten brauchen eine treibende Kraft, die ihnen Dynamik und Stabilität verleiht.
FATE CORE ist diese treibende Kraft.
FATE CORE ist die neueste Edition des preisgekrönten Fate-Rollenspielsystems von Evil Hat Productions. Die Regeln wurden bereinigt und fokussiert, ohne dabei die Flexibilität von FATE aufzugeben. Egal, was du spielen willst: Mit FATE geht es.
Inhalt: Leicht verständliche Regeln zur Charaktererschaffung und Spielweltgestaltung, praktische Tipps, wie Spieler und Spielleiter die bestmögliche Geschichte erzählen können, klare und verständliche Regeln für alte und neue Spieler, neue und verbesserte Methoden, um mit Aktionen, Fate-Punkten und mehr umzugehen.
Erzählt aufregende, dramatische, spannende Geschichten. Dafür ist FATE CORE da.“
Fazit: Eine Bewertung vom FATE CORE SYSTEM erweist sich als schwierig, denn erstmalig stelle ich fest, wie sehr ich es gewohnt bin, ein System vor allem nach der Story bzw. der Welt zu beurteilen, in der es eingesetzt wird. Dieses Bewertungskriterium entfällt hier, denn es handelt sich wie gesagt um ein universell einsetzbares System, auf dem eigene Welten aufgebaut werden können. Ein Regelwerk für Homebrew-Fans quasi, die sich in keiner anderen Welt richtig aufgehoben fühlen, ganz besondere Vorstellungen haben oder einfach mehrere unterschiedliche Welten „bereisen“ wollen, ohne jedes Mal ein neues Spielsystem kaufen zu müssen.
Wenn ein System allerdings universell einsetzbar sein soll, bedeutet dies auch, dass es in seinen Beschreibungen und Regeln entsprechend „allgemein“ bleiben muss, sich nirgends spezialisieren kann oder ins Detail geht. Hierfür gibt es aber auch eine Fülle von aufgesetzten Regelwerken, die unterschiedliche Szenarien für FATE CORE SYSTEM beschreiben und damit sozusagen die Lücken füllen, die im Grundregelwerk zu Gunsten der Vielseitigkeit geblieben sind, wie zum Beispiel „Malmsturm“, „Fate Of Cthulhu“, „Wearing The Cape“, „Seelenfänger“ oder „Dresden-Files“, um nur einige genannt zu haben.
FATE CORE SYSTEM ist ein im Wesentlichen narratives Rollenspielsystem, bei dem die Handlungen der Charaktere durch ausschweifende Beschreibungen unter bestimmten Umständen vorteilhaft sein können, genauso, wie man durch das gezielte Einsetzen von Nachteilen des Charakters Bonuspunkte erhalten kann, die man später wieder einsetzt, um das Schicksal (Achtung, Wortspiel) zum Guten zu wenden…
Nach einer obligatorischen Einführung, worum es bei Rollenspielen im Allgemeinen und bei FATE CORE SYSTEM im Speziellen geht, folgt direkt eine ebenfalls fast obligatorische Einführung in die Spielgestaltung, wobei hier auch schon die ersten Punkte benannt werden, die spezifisch sind.
Darauf folgt ein Kernelement von FATE CORE SYSTEM, die Charaktergestaltung mit all ihren Besonderheiten, die das Spielsystem universell machen. Zunächst überlegt man sich ein Konzept und ein Dilemma für die Spielfigur, zum Beispiel „Ich spiele einen aufstrebenden Schwertmeister (Konzept), der seit dem Tod seiner Frau ein Alkoholproblem hat (Dilemma).“ Bei beidem handelt es sich um sogenannte „Aspekte“, die man zu seinen Gunsten nutzen kann. Das ist bei „aufstrebender Schwertmeister“ schnell offensichtlich, in wie weit das funktioniert, mag aber bei „Alkoholproblem“ zunächst einmal schwer vorstellbar sein. Um beim Beispiel zu bleiben: im Trinken geübt zu sein, könnte sich als Vorteil erweisen, wenn ihr in einer Bar Informationen aus jemandem herauskitzeln wollt und diesen unter den Tisch trinken wollt.
Der nächste Schritt zum Spielercharakter ist das „Phasentrio“. Hierbei wird der Charakter mit Leben gefüllt, indem seine Vergangenheit und seine Beziehungen zu anderen Charakteren beleuchtet werden. In Phase 1 beschreibt der Spieler sein erstes Abenteuer, in Phase 2 und 3 werden Begegnungen mit den anderen Spielern beschrieben. Aus diesen Phasen ergeben sich weitere Aspekte.
Was genau hat es denn jetzt aber mit den Aspekten und Fate-Punkten auf sich? Hierbei handelt es sich quasi um das Kernelement des Spielsystems. Jeder Aspekt, ob nun persönliche Aspekte oder Umgebungsaspekte, können genutzt werden, um eine Probe zu schaffen, die vorher vielleicht in den Sand gesetzt wurde. Ein simples Beispiel: Der Charakter nimmt sich vor, auf eine kleine Dose in einiger Entfernung zu schießen, was der Spielleiter mit einer bestimmten Schwierigkeit der Probe festlegt. Der Würfelwurf reicht ggf. nicht aus, um das Ziel zu treffen, aber der Spieler hat noch ein paar Fate-Punkte übrig und sagt „da ich ja den Aspekt Scharfschütze habe, setze ich diesen ein und verbessere mein Ergebnis.“ Durch die Nutzung von Aspekten (und unter Einsatz der dafür aufzuwendenden Fate-Punkte) können wir das Ergebnis um +2 verbessern, alle Würfel noch einmal neu würfeln, einem anderen Charakter einen +2-Bonus gewähren oder den eigenen passiven Widerstand um +2 verbessern. Um Fate-Punkte zu erhalten, muss man als Spieler Aspekte reizen, also negative Effekte in Kauf nehmen, die dem Spielercharakter das Leben schwer(er) machen.
Fatepunkte kann man aber nicht nur einsetzen, um einen Aspekt einzusetzen. Die Charaktere verfügen auch über bestimmte Stunt-Effekte, deren Aktivierung ebenfalls Fatepunkte kosten. Sollte der Spielleiter einen Reiz in den Raum stellen, den der Spieler nicht gewillt ist, anzunehmen, so kostet dies ebenfalls einen Fatepunkt, und wenn ihr Details zu der Geschichte hinzufügen wollt, die auf euren Aspekten basieren, kostet dies ebenfalls Fatepunkte.
Natürlich haben die Charaktere auch Fertigkeiten, die in die bestimmten Proben-Kategorien verteilt werden können (Überwinden, Vorteil erschaffen, Angreifen, Verteidigen). Diese sind notwendig, wenn es darum geht, bestimmte Situationen im Spiel zu meistern. Eine der typischsten Situationen im Rollenspiel ist sicherlich ohne wenn und aber der Kampf, und hier haben wir es mit einem eher ungewöhnlichen System zu tun:
Angriffe, die ein Spieler nicht abwehren kann, verursachen zum einen Stress (körperlich oder geistiger Stress), und wenn das maximale Stresslevel erreicht ist, so hagelt es im Anschluss Konsequenzen, und das ggf. gewaltig. Eine leichte Konsequenz könnte zum Beispiel ein blaues Auge sein, mittlere Konsequenzen haben schon deutlichere Folgen (dies könnte zum Beispiel eine Verbrennung oder ein tiefer Schnitt sein), und schwere Konsequenzen haben definitiven Einfluss auf das weitere Handeln des Charakters, zum Beispiel Brüche, extreme Schnittwunden etc.
Wem das immer noch nicht reicht, der hat selten (einmalig zwischen zwei großen Meilensteinen) die Chance auf eine extreme Konsequenz, um dem Tod von der Schippe zu springen. Hierbei wird ein Aspekt gestrichen und durch eine extreme Konsequenz ersetzt (aus dem „schnellen Läufer“ wird zum Beispiel „linker Fuß abgetrennt“). Wer weder Stress zur Verfügung hat noch Konsequenzen erdulden kann, ist ausgeschaltet. Dies ist vergleichbar mit „Lebensenergie ist auf 0“. Ob es hier nun zum Charaktertod kommt oder nicht, liegt in der Hand des Spielleiters…
…was uns direkt zum nächsten Teil des Regelwerks führt: Spielleiten. In diesem Kapitel und dem darauf folgenden „Szenen, Sitzungen und Szenarien“ wird für den Spielleiter erklärt, wie er sich auf die Spielsitzungen vorzubereiten hat, was er alles bedenken muss und wie die einzelnen Situationen gelöst werden können. Wichtig hierbei ist natürlich, dass das Spiel die Spielercharaktere durchaus fordern und keinen Spaziergang darstellen sollen, dass es aber auch nicht darum geht, ein Szenario „Spieler vs. Spielleiter“ aufzubauen, denn dabei kann der Spieler nur verlieren. Ziel ist es vielmehr, eine spannende Geschichte zu ersinnen, die beiden Seiten Spaß bereitet.
Im Kapitel „Das lange Spiel“ wird noch erläutert, wie man einzelne Abenteuer geschickt in einen Gesamtkontext fassen kann und die Spielercharaktere somit in eine fortlaufende Geschichte einbindet, bei der sich die Handlung nach und nach aufbaut und die Spannung im Idealfall ebenfalls in Wellen zunimmt.
Abgerundet wird das Buch mit Kopiervorlagen für Charakterblätter etc.
Erfüllt FATE CORE SYSTEM das, was es verspricht? Ist es ein universelles Regelsystem für jedes erdenkliche Szenario? Ich denke, hierzu wird es unterschiedliche Meinungen geben. Die Open Gaming License ermöglicht dies zumindest schon einmal grundlegend. Im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen wird hier tatsächlich mehr oder minder komplett auf Charakter-„Werte“ verzichtet, diese werden allesamt versprachlicht und unterstreichen damit den ganz klar narrativen Ansatz des Regelsystems. Wer lieber mit Zahlen hantiert und sich im Kampf an klassischen Werten entlanghangeln will um bereits im Vorfeld abschätzen zu können, wie kompliziert ein Konflikt werden wird, der stößt hier vielleicht an die Grenzen des Systems, denn hier haben andere die Nase vorn. Dafür ist es mit dem FATE CORE SYSTEM unglaublich einfach, durch reines Erzählen bildhaft zu beschreiben, was man tut, um dann durch eine weitere Formulierung das Geschehen zu beeinflussen. Ob man das Konzept der Fatepunkte dabei mag, ist sicherlich jedem einzelnen überlassen. Ich habe beim ersten Lesen der Regeln einen Spielerkollegen im Ohr gehabt, der bei jeder, aber auch wirklich jeder sich bietenden Gelegenheit, in der eine Probe misslungen wäre, ein „Ja, AAAAABER…“ auf den Lippen haben würde, um mit einem Aspekt die Situation doch noch zum Guten zu wenden. In gewisser Weise vorbildlich und ggf. auch spannend, in manchen Situationen kann dies allerdings auch durchaus die Nerven der Mitspieler strapazieren…
FATE CORE SYSTEM bietet jede Menge Freiheit und ein gelungenes Regelwerk, um narrativem Rollenspiel den Weg zu ebnen. Die vielen unterschiedlichen Systeme, die man hiermit ausprobieren kann, sprechen Bände. Wer von einem Rollenspielsystem in der Grundausgabe allerdings nicht nur das Regelwerk erwartet, sondern auch eine entsprechende Fantasywelt dazu, der sollte unter Umständen lieber ein anderes System kaufen oder dies beim Kauf direkt berücksichtigen und auf eine der bereits hierfür entworfenen Welten zurückgreifen.