Kult – Die verlorene Göttlichkeit (Truant Spiele)

„Diese Ausgabe ist ein Neustart des hochgelobten und berüchtigten zeitgenössischen Horror-Rollenspiel „Kult“ ursprünglich im Jahr 1991 veröffentlicht.
Diese 4. Ausgabe von Kult enthält ein völlig neues Regelsystem. Der Hintergrund wurde auf die heutige Zeit aktualisiert.
Entkomme deinen Albträumen, feilsche mit Dämonen, und versuche, in einer Welt voller Schmerz, Folter und Tod am Leben zu bleiben.

In Kult: Verlorene Göttlichkeit ist die Welt um uns herum eine Lüge. Die Menschheit ist in einer Illusion gefangen. Wir sehen nicht die gewaltigen Zitadellen von Metropolis unsere höchsten Wolkenkratzer überragen. Wir hören nicht die Schreie aus dem vergessenen Keller, wo versteckte Treppen uns zum Inferno führen. Wir riechen nicht das Blut und das verbrannte Fleisch von denen, die den längst vergessenen Göttern geopfert wurden. Aber einige von uns haben Einblicke jenseits des Schleiers. Wir haben das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Das Geschwafel eines Verrückten in der U-Bahn scheint eine versteckte Botschaft zu enthalten. Und wenn man darüber nachdenkt, unser zurückgezogener Nachbar scheint nicht völlig menschlich zu sein, wenn wir ihm auf dem Flur begegnen. Indem wir langsam die Wahrheit über unser Gefängnis, unsere Entführer und unsere verborgene Vergangenheit entdecken, können wir endlich aus unserem induzierten Schlaf erwachen und die Kontrolle über unser Schicksal übernehmen.

Dieses Buch behandelt Themen für Erwachsene! Der Inhalt befasst sich mit psychischem und physischem Horror, mit Gewalt und Missbrauch in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Empfohlen ab 18 Jahre!“

385 Seiten Hardcover Din A4 inkl. 1 Lesefaden
Redaktion & Übersetzung: Manfred Lill
Lektorat: Frank Werschke
Herausgeber: Mario Truant

Fazit: Wir alle sind Götter… nunja, zumindest waren wir das mal irgendwann. Bis wir dann in der Illusion unseres Gefängnisses inhaftiert wurden und über die Zeit vergessen haben, was wir einmal waren. Nun leben wir hinter dem Schleier der Realität, und nur extreme Empfindungen können diesen Schleier zerreißen. Aber die Wesen von der anderen Seite sind unter uns, bemüht, uns in unserem Gefängnis zu halten. Aber ab und an blitzt dann doch etwas herüber, das unsere Aufmerksamkeit erweckt…

Was sich in dieser kurzen Zusammenfassung wie eine Melange aus dem Cthulhu-Mythos und Matrix liest, ist weit mehr als nur das. Vielmehr umfasst die Welt von Kult ein Universum, vollgestopft mit parallelen Welten, Engeln und Dämonen. Vor allem aber ist KULT: Die verlorene Göttlichkeit eine Reise in eine verbotene Welt, die nur darauf wartet, die Spieler*innen in ihre pervertierten Fänge zu bekommen, das Monster hinter der Maske hervorzulocken.
Das Grundregelwerk ist aufgeteilt in drei Bücher, die jeweilig inhaltliche Bereiche abgrenzen, mit fortlaufenden Kapiteln.
Bevor es mit Buch I: Die Lüge startet, gibt es noch einige Seiten mit Darstellungen und Beschreibungen als Einstimmung in das Setting.
Das erste Kapitel befasst sich mit allem, was für die Spieler wichtig ist, einer grundsätzlichen Darstellung der Welt, wie sich KULT spielt, wie das Spielprinzip mit den Regeln, Spielzügen und Würfelwürfen funktioniert. Das Grundprinzip hierbei ist simpel: 2W10 + dem Eigenschaftswert ergibt das Ergebnis, hierbei gilt: 9 oder kleiner ist ein Fehlschlag, 10-14 ist ein Erfolg mit weiteren Komplikationen, jedes Ergebnis ab 15 ist ein vollständiger Erfolg.
Es folgt ein Kapitel mit den vorgegebenen Archetypen in Kult. 21 vorgegebene Charaktertypen und eine Beschreibung, wie man einen freien Archetyp erstellt, sollte nichts passen, vermitteln einen sehr guten Eindruck, worauf es bei den Charakteren ankommt. Ergänzend zu typischen Charakterbögen dürften die Dunklen Geheimnisse, Vorteile und Nachteile sein, die ein jeder Charakter besitzt. Diese sind für die Spielleitung unglaublich wichtig, um ein (für die Charaktere) möglichst intensives Spielerlebnis zu kreieren.

Diese drei Punkte werden im nächsten Kapitel eingehend betrachtet. Abgerundet wird das erste Buch mit Kapitel 4, in dem sämtliche Optionen für die Spielercharaktere dargestellt werden, inklusive der möglichen Spielzüge, Beziehungen zu anderen Spieler- oder Nichtspieler-Charakteren, der Charakterentwicklung sowie der Ausrüstung für den Charakter.

Buch II: Der Wahnsinn widmet sich voll und ganz der Aufgabe der Spielleitung. Wie baue ich eine Spielsitzung auf, wie erschaffe ich Konflikte, in die die Spielercharaktere einbezogen werden, worauf sollte ich achten, um die Spieler*innen nicht mit Darstellungen oder brisanten Themen zu überlasten oder zu traumatisieren. Hier gilt es, ganz klar miteinander zu kommunizieren, denn die Erfahrung, die sowohl Spieler*innen als auch Spielleitung zusammen im Spiel machen wollen, sollte einen schmaler Grat zwischen „zu viel davon“ und „gerade noch zu ertragen“ bestreiten.
Kapitel 6 befasst sich mit dem Aufbau der Geschichte, die die Spieler*innen durchleben sollen. Hierbei kann sich die Spielleitung anhand eines Leit-(oder besser „Leid“-)fadens vorarbeiten und damit ein spannendes Szenario vorbereiten, bei dem sie kaum durch Fragen oder Handlungen der Spielenden aus der Reserve gelockt werden kann, weil viele Eventualitäten bereits im Vorfeld geklärt sein dürften und sich der Rest relativ einfach anhand der Vorbereitung improvisieren lassen sollte.
Ein besonderes Augenmerk wird auf die erste Spielsitzung gelegt, denn hier muss die Spielleitung aufmerksam beobachten, wie die Spieler*innen auf bestimmte Dinge reagieren. Ebenfalls wird noch einmal eingehend erläutert, wie sich die höheren Mächte jenseits des Schleiers (oder in Gestalt ihrer Agenten in unserer Welt) in das Geschehen einmischen könnten, welche Motive sie dabei verfolgen etc.. Dabei werden die unterschiedlichen Orte und Mächte (Metropolis, Inferno, Die Unterwelt, der Limbus, Gaia) im einzelnen vorgestellt.
Bekanntlich geht das Leben auch dann weiter, wenn die Charaktere gerade nicht an einer Untersuchung sitzen. Diese „Auszeiten“ werden für die Spielleitung ebenfalls thematisiert: was geschieht in dieser Zeit in der Welt? Wie gehe ich damit um, wenn am Ende einer Spielsitzung ein Charakter verstorben ist?
Abschließend gibt es noch die Checkliste für die Vorbereitung von Szenarien, bevor es mit Buch III: Die Wahrheit erst richtig in die Welt hinter dem Schleier geht (alles davor geschriebene erscheint hier plötzlich wie müdes Geplänkel).
Hier wird in zwei Kapiteln erklärt, wie alles begann, wie es um die Mächte des Guten und Bösen bestellt ist, wer auf welche Weise vom Schleier profitiert etc.
Es folgen detaillierte Beschreibungen der einzelnen Welten. Elysium ist die uns bekannte Welt, unser Gefängnis, das Blendwerk, mit dessen Hilfe wir von der Welt hinter dem Schleier ferngehalten werden. Gewisse Parallelen bestehen trotzdem, denn unsere Städte sind Nachahmungen von Metropolis. Aber auch in Elysium befinden sich Götter und Diener der Archonten. Diese werden ebenfalls regeltechnisch erklärt und beschrieben.

Zwischen Elysium und der Welt hinter dem Schleier lauern die Übergänge, die uns Einblicke dahinter verschaffen. So spielt Wahnsinn (Kapitel 14) eine entscheidende Rolle, ebenso wie Leidenschaft (Kapitel 15) oder das Reich der Träume (Kapitel 16). Egal wo, überall lauern Gefahren für die Spieler*innen.
Im siebzehnten Kapitel wird dann die Unterwelt vorgestellt, die sich auf insgesamt sieben Ebenen erstreckt, die die Spielercharaktere, wenn sie erst einmal den Zugang gefunden haben, nach und nach bereisen könn(t)en.
Letztendlich wartet die ewige Stadt Metropolis, ein verlassenes Bollwerk. Einst lebten die Menschen hier, doch das ist lange her. Nun hausen auch hier Schrecken, die nur darauf warten, dass sich jemand in die Stadt verirrt und ihnen in die Finger gelangt. Aber nicht nur das, auch wilde Bestien machen die verlassenen Straßen unsicher, und natürlich gibt es Engel, die hier hausen.
Inferno (Kapitel 19) ist der eigentliche Ort der Qualen. Hier gibt es Folterkammern, Todeslager, Gefängnisse, sprich all das, was man benötigt, um größtmögliches Leid zu erzeugen. Dies ist der Ort, der am ehesten mit unserer Vorstellung der Hölle einher geht.
Die letzte, über den Dingen stehende Kraft ist Gaia, die Kraft der Natur, ungezügelt und unbarmherzig, aber gleichzeitig auch lebensspendend, schön, wärmend. Letztere Eigenschaften sind allerdings nicht das, womit sich die Spieler*innen auseinandersetzen müssen, denn diese Aspekte sind es, die wir in Elysium als „Normalität“ empfinden. Stattdessen hat auch Gaia Diener, die es mit den Charakteren nicht immer nur gut meinen, und das bedeutet: eigentlich nie.
In einer Welt, die durchsetzt ist von übernatürlichen Kräften, Kulten, Engeln und Dämonen, gibt es natürlich auch so etwas wie Magie und die Möglichkeit, mit den übernatürlichen Wesen zu paktieren. Dies wird in Kapitel 21 reglementiert. Dabei ist Magie in KULT vom Grundprinzip anders als in anderen Rollenspielen, und die Option, einen Magier zu spielen, ist zwar gegeben, wird aber grundsätzlich zunächst nicht empfohlen. Den Spieler*innen werden zunächst nur schlafende Charaktere (also völlig ahnungslos), oder bewusste Charaktere (mit nur geringem Verständnis der Welt hinter dem Schleier) zur Hand gelegt. Diese bewussten Charaktere können sich im Laufe des Spiels zu erleuchteten Charakteren (was u.a. Magier wären) entwickeln. Erleuchtete Charaktere werfen aber das Gleichgewicht von KULT gehörig durcheinander, darüber muss sich die Spielleitung bewusst sein. Entsprechend werden diese bewussten Archetypen auch als separates, abschließendes Kapitel im Grundregelwerk näher beleuchtet. Ein Stichwortindex, eine Übersicht über die Spielerspielzüge auf zwei Seiten sowie Charakterbögen für allgemeine Charaktere, Schläfercharaktere, bewusste Charakte sowie erleuchtete Charaktere runden das Grundregelwerk ab.

Die grafische Gestaltung des Regelwerks ist anschaulich und beeindruckend zugleich, dürfte aber ebenfalls in die Kategorie „empfohlen ab 18“ passen. Das, was man hier zu sehen bekommt, erinnert bisweilen an die Welten von Hellraiser. Offenliegende Innereien, entzündete Narben, Entstellungen und Verstümmelungen sind hierbei wahrscheinlich noch das, was man vermeintlich gut verkraften kann. Aber wie bereits erwähnt: KULT ist Grenzwerterfahrung. Wer diese Grenzen für sich selbst ausloten möchte, der sollte sich eine erfahrene Spielleitung hierfür suchen, denn auch, wenn die Spieler*innen mit einem vergleichsweise einfachen Regelwerk betraut werden, so liegt letztendlich die schwierige Aufgabe bei der Spielleitung, eine überzeugende, erschreckende und Horror vermittelnde Stimmung zu erzeugen, bei der man auch als Spieler*in merkt, wie sich die Eingeweide zusammenziehen allein bei der Vorstellung dessen, was im Spiel gerade passiert.

Wer sich dieser schwierigen Aufgabe widmen möchte, dem sei an dieser Stelle der gut strukturierte Spielleiter-Schirm empfohlen, der sämtliche Möglichkeiten für Spielleiter-Züge, eine Zusammenfassung des „Horror-Vertrags“, die Regeln, Schadensbeispiele, eine Schnellanleitung zur Erschaffung von Nichtspielercharakteren, Spielzüge für Beziehungen sowie einzigartige Spielzüge auf den vier Innenseiten des Sichtschirms beinhaltet. Die Außenseite ziert das Bild einer düsteren Metropole im Elysium, das perfekte Szenario für den Start eines Abenteuers in KULT: Die vergessene Göttlichkeit.

Und auch hier sei noch einmal verdeutlicht: KULT ist kein Spiel für Kinder oder Jugendliche, und auch Erwachsene sollten sich bewusst sein, welche Themen hier behandelt werden. Es wäre schlimm, wenn man dies erst im Laufe des Spiels erfährt und dann mittendrin aussteigen muss, weil man überfordert ist!