„Tiny Dungeon 2E ist die überarbeitete Fassung des beliebten minimalistischen Fantasy-Rollenspiels.
Das zugrundeliegende TINYD6-System ist so konzipiert, dass es für alle Alters- und Erfahrungsstufen zugänglich ist: Sämtliche Aktionen werden mit ein bis drei sechsseitigen Würfeln abgewickelt, die Charaktere passen auf Karteikarten und die Regeln sind eingängig und leicht zu vermitteln.
In diesem Buch sind zudem über zwanzig kurz umrissene Kampagnenhintergründe enthalten, die von einigen der besten Autoren da draußen verfasst wurden. Diese „Mikroszenarien“ sind kurz und flexibel und sollen dir als schnelle Inspiration und einfacher Einstiegspunkt für deine Kampagne dienen.
Also schnapp dir deine Freunde, ein paar Bleistifte und Würfel und mach dich bereit für minimalistisches, unkompliziertes Fantasy-Rollenspiel!“
Hardcover Din A5, 208 Seiten
Von Alan Bahr
Deutsche Redaktion und Übersetzung: Sascha Schnitzer
Fazit: TINY DUNGEON – ZWEITE EDITION ist eines dieser Regelwerke, das in die Kategorie „Late but not lame“ zählt. Vom Verlag freundlicherweise als PDF zur Verfügung gestellt, hat es nicht lange gedauert, bis ich mir das Regelwerk selbst als Buch besorgt habe: angefixt genug, um es zum Blättern da zu haben, und es dann in aller Ruhe durchzulesen. Ich bin einfach nicht der PDF-Typ!
Das Regelsystem ist denkbar einfach: ihr würfelt mit zwei W6 (bei Nachteil nur ein W6, bei Vorteil drei W6), zeigt einer der Würfel eine 5 oder 6, habt ihr die Probe bestanden, bzw. im Kampf bei einem Angriff getroffen, oder ihr seid ausgewichen, oder oder oder… Ein Treffer verursacht in der Regel einen Schadenspunkt, es sei denn, ihr habt eine besonders mächtige Waffe in den Händen.
Und jetzt kommt der Clou: komplizierter wird es eigentlich nicht. Zwar gibt es optionale Regeln für kritische Treffer und kritische Fehlschläge, ihr könnt, so ihr denn wollt, Prestigeklassen einführen oder aber die unterschiedlichen Rüstungsklassen Einfluss auf eure erhaltenen Treffer nehmen lassen, das ist aber alles kein Muss. TINY DUNGEON – ZWEITE EDITION will es einfach halten und den Fokus auf das Rollenspiel lenken, und das funktioniert mit diesen Regeln perfekt. Was ihr nicht erwarten dürft, ist ein System, das den unterschiedlichen Klassen in bestimmten Situationen unschlagbare Vorteile liefert, oder dass eine Probe entweder „nicht schief gehen“ oder „gar nicht möglich“ erscheint. Einfachste Aufgaben (zum Beispiel über eine Mauer klettern) würde man in einem solchen Fall gar nicht erst mit einer Probe abfragen (es sei denn, der Charakter ist einarmig, schwer beladen oder möchte sein Pony mitnehmen), und quasi unmögliche Aufgaben ebensowenig (Charakter will fliegen, obwohl er es nicht beherrscht). Es ist zwar in den Regeln nirgends vermerkt, aber wenn ich als Spielleiter eine Aufgabe ganz besonders schwierig empfinde und es den Charakteren nahezu unmöglich, aber eben nicht komplett versagt bleiben sollte, dann kann ich natürlich auch darauf bestehen, dass einer der Würfel (oder vielleicht sogar zwei Würfel) eine Sechs zeigen (Charakter will das Gitter am Burgtor mit reiner Muskelkraft hochhalten, damit seine Gefährten entkommen können).
Die Charaktererschaffung ist ebenfalls denkbar simpel (und der Grund, warum dieser auf einen Notizzettel passen würde): man wählt ein Vermächtnis (in anderen Systemen würde man hier von Rasse sprechen), danach wählt man drei Merkmale (z.B. aufmerksam, Fingerfertigkeit, stark, wachsam, etc.), eine vertraute Waffenkategorie, hieraus eine gemeisterte Waffe, eine Ausbildung und eine Überzeugung. Das wars. Im Verlauf des Spiels gibt es natürlich die Möglichkeit, zusätzliche Merkmale zu erlangen, eine weitere Waffenkategorie zu erlernen, eine weitere Waffe zu meistern etc.
Zudem gibt es natürlich einen separaten Bereich für die Spielleitung, abgerundet mit einem 26-seitiges Bestiarum, einem kurzen Abenteuer-Generator und einer Übersicht über Widersacher-Kategorien.
Mehr als die Hälfte des Buchs nehmen dann letztendlich die Mikroszenarien ein, 23 kurze Unterkapitel, in die ihr euch einlesen könnt und direkt daraus jeweils ohne Probleme einen Oneshot generieren könnt oder aber eine weitreichende Kampagne baut. Hiermit soll gezeigt werden, wie vielseitig das System einsetzbar ist. Hier auf jedes einzelne davon einzugehen, würde definitiv den Rahmen sprengen und auch zu viel spoilern. Und auch, wenn ein Notizzettel reichen würde, gibt es im Buch natürlich auch noch einen formschönen Charakterbogen zum kopieren.
TINY DUNGEON – ZWEITE EDITION ist ein sehr gutes System für den schnellen Einstieg, für spontane Rollenspielabende, für Gruppen, die sich gerade erst zusammengefunden haben und noch nicht sicher sind, in welche Richtung ihr Rollenspiel gehen soll, also lieber Regel-verliebt Table-Top-esque oder eher in Richtung Erzählrollenspiel. Schnell erschaffene Charaktere, schnell erlernte Regeln, und insgesamt ein sehr schneller Einstieg ermöglichen es, quasi sofort loszulegen. Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass man hierbei regeltechnisch keinen besonders großen Tiefgang erwarten darf. Das, was andere Regelsysteme ausmacht, wird hier komplett ausgeblendet, und lediglich der Aspekt „Vorteil durch…“ bzw. „Nachteil wegen…“ macht den Unterschied zwischen Held und Normalbürger aus. Leuten mit längerfristigem Rollenspielhintergrund mag das ggf. zu wenig sein, aber für „mal zwischendurch“ oder für Situationen, in denen man sein Regelwerk mal nicht dabei hat, ist das vielleicht genau das Richtige. Einfach nur die Seiten mit den Vermächtnissen irgendwo in der Cloud hinterlegen und die Merkmale, und schon hat man eigentlich alles, um sofort mit einer neuen Runde zu beginnen. Das nenne ich einsteigerfreundlich! Was ich ebenfalls ein wenig schade finde, ist der stilistische Bruch zwischen dem sehr gut gelungenen Coverbild und den ebenfalls gut gelungenen, aber doch irgendwie eher Comic-artigen Illustrationen im Inneren des Buches. Aber das ist vielleicht auch einfach Jammern auf hohem Niveau!