InFamous 2 (Playstation 3)

Fast hätte ich geglaubt, man hätte mir ein falsches Pressemuster zugeschickt. Hat man eine ganze Zeit lang nicht mehr in den Vorgänger reingeschaut und nur noch vage Erinnerung daran, sind zumindest die optischen Unterschiede zu INFAMOUS 2 recht gering. Freundlichst werden wir direkt in die Action hineingeworfen und uns bleibt eigentlich kaum Zeit, um uns zurechtzufinden. Das ist auch nicht nötig, denn wie zu erwarten war gibt es auch hier ein InGame-Tutorial, das uns schnell den Weg weist, wie wir uns in Empire City orientieren können und uns unserer Haut erwehren können.

Der Held der Geschichte ist weiterhin Cole MacGrath, eben derjenige, der im ersten Teil als Lieferant das Pech hatte, eine Bombe weiter zu tragen, die direkt in seinen Händen explodierte und ihn zu einem Mutanten machte, der die Elektrizität manipulieren kann. Bekannter Weise gehört zu einem Protagonisten auch immer ein mächtiger Antagonist, der dem Helden das Leben schwer macht.
Held? Wie auch schon im Vorgänger, kann sich Cole auch zu einem sprichwörtlichen Arschloch entwickeln, das liegt ganz in euren Händen. Immer wieder steht er vor Entscheidungen, bei denen es entweder eine gute oder eine böse Variante gibt, weiterzumachen. Euer Verhalten wirkt sich nicht nur auf euer Karma aus, sondern auch darauf, wie die Menschen auf den Straßen auf euch reagieren. Warum man sich als Antiheld allerdings um die Belange des Pöbels kümmern sollte und nicht stattdessen ein neues Plätzchen sucht, wo man sich mittels Superkraft einen schönen Lebensabend gestaltet: darauf liefert das Spiel keine Antwort! Entsprechend seid ihr nur in den euch vorgesteckten Möglichkeiten gut oder böse. Besiegte Gegner einfach töten? Ihnen Elektrofesseln anlegen? Oder etwa ihre Energie absorbieren und somit vampirähnlich durch ihren Tod selbst profitieren? Eine harmlose, aber komplizierte Vorgehensweise beim Eindringen in dein Gebäude, oder doch einfach nur sprengen? So oder so ähnlich sehen eure Auswahlmöglichkeiten aus.

Ansonsten ist die Story schnell erzählt: nachdem ihr im Kampf gegen die Bestie überraschend unterliegt, verliert ihr einen Teil eurer Superkräfte. Um euch selbst erst einmal wieder zu fangen, eure Kräfte zu rehabilitieren und eine wirksame Waffe gegen die Bestie zu finden, zieht ihr euch zunächst nach New Marais zurück, wo ein gewisser Dr. Wolfe auch eine Möglichkeit gefunden hat, wie ihr letztendlich siegreich sein könnt. Leider müsst ihr, um Wolfes Waffe nutzen zu können, zunächst einmal die über ganz New Marais verteilten Batteriekerne sammeln, und dass dieses nicht ohne Gegenwehr erfolgt, dürfte allen Videospielern klar sein. Nicht nur Sumpfmonster stellen sich euch in den Weg, sondern auch der superreiche Bertrand hetzt gegen die Mutanten auf und hat seine Privatarmee dazu angehalten, sofort das Feuer auf euch zu eröffnen, sobald ihr gesichtet werdet.

Wie bei vielen Actionspielen auch spielt euch hier leider gelegentlich die Kameraperspektive einen Streich. Als Open-World-Spiel möchte man natürlich auch so viel von der offenen Welt wie möglich erkundbar machen, das ist aber nicht immer wirklich empfehlenswert, wenn es zur Folge hat, dass die Kamera nicht mehr weiß, wie sie sich stellen soll, um noch genug von euch zu zeigen, ohne euch in Gefahr zu bringen.

Ebenfalls das Klettersystem hat seine Tücken. Sicherlich werdet ihr bald herausfinden, wie ihr auf schnellstem Weg von A nach B kommt, aber erwartet hierbei bitte keine Eleganz, wie sie bei Assassins Creed anzutreffen ist.
Mit fortschreitendem Spielverlauf erlernt Cole immer neue Angriffe und Optionen, sodass das Spiel in seinen Möglichkeiten immer weiter wächst. Über das Einsammeln von Energiesplittern (nicht zu verwechseln mit den Batteriekernen) wächst die Stromleistung von Cole mit der Zeit, denn alles, was ihr in Bezug auf Energie tut, kostet Saft! Den könnt ihr gegebenenfalls nicht nur, wie vorhin beschrieben, an erledigten Gegnern auffrischen, sondern auch an Autos, Stromkästen, Straßenlaternen etc.

Möchte man dem wirklich schicken INFAMOUS 2 etwas anlasten, so sind das zum einen die nicht immer glücklichen Kameraperspektiven, das nicht mehr ganz zeitgemäße Klettersystem, sowie die Tatsache, dass ihr im Vergleich zum Vorgänger innovative Elemente und Verbesserungen nur spärlich gesät finden werdet. In technischer Hinsicht ist das Spiel zwar insgesamt hübscher und flüssiger geworden, jedoch nicht atemberaubend besser. Die Story hingegen war im ersten Teil frischer und zeigt bereits hier leichte Abnutzungserscheinungen, da helfen auch die netten Nebencharaktere Zeke und Lucy Kuo nicht. Nichtsdestotrotz: wer den ersten Teil mochte, der wird auch mit dem zweiten sehr viel Spaß haben, und wer den ersten Teil nicht kennt, dem sei zunächst dieser ans Herz gelegt, da die Story zwar anfänglich in Form eines Comics zusammengefasst wird, aber bei weitem nicht alles rübergebracht wird, was den Reiz von InFamous ausgemacht hat. INFAMOUS 2 ist eine souveräne, vielleicht etwas zu routinierte Fortsetzung, der es ein wenig an Esprit fehlt!