Of orcs and men (Xbox 360)

Ich hatte schon im Vorfeld große Erwartungen an OF ORCS AND MEN. Welch brillanter Einfall, eine Geschichte mal aus der Sicht eines Orks bzw. eines Goblins zu erzählen, in der die Menschen plötzlich die Bösen sind. Was ein bisschen nach Michael Peinkoffers Roman klingt, soll sich auch so toll spielen lassen. Umso größer ist die Freude im Endeffekt, wenn hohe Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern obendrein übertroffen werden.
Die grundlegende Geschichte ist dabei relativ schnell erzählt: Die Menschen haben unter der Führung ihres Imperators Damokles Orks und Goblins versklavt, die Inquisition rottet die Grünhäuter systematisch aus. Aber es gibt auch einen Widerstand, der mit den andersfarbigen Rassen sympathisiert. Dem Ork Arkail, einem elitärer Kämpfer der Blutkiefer, wird nun ein Himmelfahrtskommando zugeteilt: seine Aufgabe ist es, in die Festung der Menschen zu gelangen, eine Schamanin zu befreien, auf eine Insel zu gelangen und dort den Imperator zu töten. Ihm steht aber keine Armee oder gar ein Kampftrupp zur Verfügung, sondern stattdessen soll er zusammen mit einem Führer alleine losziehen. Als sich dieser Führer obendrein als (in seinen Augen) minderwertiger Goblin herausstellt, ist für ihn klar, dass er diese Mission wohl kaum überleben wird. Doch Styx, der sich selbst nicht als Goblin sieht, sondern als Überlebender (auch er hat im Allgemeinen keine hohe Meinung von seiner Rasse), erweist sich als sehr große Hilfe, denn seine Meuchel-Fertigkeiten sind enorm praktisch, um so manchem Kampf aus dem Wege zu gehen…
Grafisch kann OF ORCS AND MEN mit Spitzentiteln nicht ganz mithalten, als störend empfindet man sie allerdings auch nicht. Die vollständige deutsche Synchronisation ist äußerst gut gelungen, die Sprecher (insbesondere die beiden Protagonisten) passen perfekt zu ihren Rollen. Das ist auch ungemein wichtig, denn das Spiel lebt vor allem von seiner Story und seiner Atmosphäre. Das Setting ist traumhaft und eine absolut gelungene Abwechslung zum Genre-Standard.
Apropos Genre: OF ORCS AND MEN spielt sich wie eine Mischung aus Rollenspiel, Action-Adventure und Strategiespiel. Ihr habt Kontrolle über beide Spielfiguren, die ihr auf Knopfdruck wechseln könnt (warum es hierfür keinen Koop-Modus gibt, will sich mir einfach nicht erschließen, hier hat man eine ganz klare Chance vertan). Während Styx heimlich vorgeht, sich an Gegner anschleichen und diese hinterrücks ermorden kann, mit Wurfdolchen und Giften hantiert und ähnliche Assassinen-Fertigkeiten besitzt, ist Arkail ein wahrer Koloss im Kampf, der gegebenenfalls auch mal den Goblin als tödliches Wurfgeschoss einsetzen kann. Wird Arkail zu häufig getroffen, verfällt er in Raserei. Dann richtet er besonders schweren Schaden an, achtet aber auch nicht mehr auf seine Verteidigung. Zum Glück können sich Arkail und Styx im schlimmsten Fall gegenseitig wieder auf die Beine helfen, sollte einer mal im Kampf erliegen. Eine Trefferpunkte-Regeneration erfolgt automatisch und kann lediglich durch bestimmte Fertigkeiten beschleunigt werden…
Das Stufensystem ist denkbar einfach: mit jedem Stufenanstieg kann man eine Eigenschaft erhöhen, die wiederum Auswirkungen auf verursachten Schaden, Trefferpunkte, Ausweichtalent o.ä. hat, und zusätzlich gibt es pro Stufe einen Fertigkeitspunkt, mit dem man neue Angriffe oder andere Techniken erlernen bzw. einmalig verbessern kann.
Auch die Ausrüstung, die man bei sich trägt, kann man einmalig aufbessern. Hier vermisse ich ein wenig die Anzeige, welchen Effekt diese Verbesserung haben wird, denn so ist es doch ein wenig ungewiss, ob es nicht besser wäre, das Geld einfach zu sparen und bei Gelegenheit etwas Neues zu kaufen.
Besonders gelungen finde ich das Kampfsystem. Da ihr jeweils nur eine der beiden Figuren steuern könnt, finden die Kämpfe im Prinzip nicht direkt in Echtzeit statt, sondern sind rundenbasiert. Ihr könnt bis zu vier Aktionen vorbelegen, die Styx oder Arkail ausführen sollen. Wenn ihr ins Fertigkeitenmenü wechselt, um hier die Reihenfolge festzulegen (das letzte wird zuerst angeklickt), geht das Spiel in einen Zeitlupenmodus, sodass ihr in Ruhe durch die Menüs schalten könnt. Dadurch könnt ihr ggf. auch zwischendurch erneut ins Menü schalten, um eure Taktik komplett zu überdenken. Es kann durchaus sinnvoll sein, zunächst mit Styx heimlich einen Teil der Gegner zu ermeucheln, und wenn man dann entdeckt wird, schnell zu Arkail zu wechseln, dem ein paar grundlegende Kampfbefehle zuzuordnen und dann wieder auf Styx zu springen, der im Nahkampf deutlich weniger verträgt und entsprechend eher von euch gesteuert werden sollte, um im Zweifelsfall aus der Gefahrenzone gebracht zu werden. Zudem ist der Goblin flinker zu Fuß, falls der durch eure Vorgaben gesteuerte Ork dann doch noch zu Boden geht und Wiederbelebung benötigt, funktioniert das so herum deutlich einfacher, als wenn ihr versucht, mit Arkail dem Goblin zu Hilfe zu eilen.
OF ORCS AND MEN ist kein perfektes Spiel, das geben wir gerne zu. Die Levels sind extrem schlauchig, das Gameplay ist diesbezüglich ein wenig repetitiv, aber langweilig wird es dadurch auf keinen Fall. Die fordernden, taktischen Kämpfe machen unglaublich viel Spaß und die Story, die durch die beiden ungleichen Helden getragen wird, fesselt euch schon nach wenigen Minuten. Selten hatte ich im Spielejahr 2012 dringender das Bedürfnis, schnellstmöglich weiterzuspielen, um zu erfahren, wie es weiter geht. Wer auf gut erzählte Fantasy-Geschichten steht, kommt an dieser nicht vorbei!