Ihr steht auf Egoshooter? Lasst euch nicht vom ersten Eindruck täuschen, wenn ihr auf die Screenshots von OPERATION FLASHPOINT: DRAGON RISING schaut: es wird zwar aus der Egoperspektive gespielt, und ihr haltet auch eine Waffe in der Hand, aber dieses durch und durch von Taktik und Realismus geprägte Spiel als Egoshooter abzutun, ist falsch. Hier fühlen sich die Leute wohl, die in einer Mission aufgehen wollen, nicht die, die einfach nur in Rambo-Manier durch die Levels rauschen und alles abknallen, was sich bewegt. Willkommen auf der Insel Skira!
In naher Zukunft gehen die Weltweiten Ölvorkommen zur Neige, da erschließen die Russen auf der Insel Skira neue Quellen. Sofort stehen die Chinesen auf der Matte und wollen die Insel für sich beanspruchen. Bevor es nun zum heftigen Eklat kommt, bittet die russische Regierung um Hilfe bei den Amerikanern, und als Teil der Landungseinheit von der USS Iwo Jima seid ihr nun an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, die chinesischen Truppen in ihre Schranken zu weisen.
Gleich die Kritik vorab: im Verlauf des Spiels bleiben die einzelnen Charaktere sehr blass und austauschbar, alles konzentriert sich voll und ganz auf die Missionen und die Spieltechnik. An der Atmosphäre des Spiels tut das jedoch keinen Abbruch. Mehrfach wurde beispielsweise kritisiert, dass in OPERATION FLASHPOINT: DRAGON RISING keine Hintergrundmusik zu hören ist. Gerade das (finde ich zumindest) trägt ungemein dazu bei, dass man sich viel besser in die Szenen einfinden kann. Geduckt sucht man seinen Weg durch das Dickicht und achtet auf jedes noch so kleine Geräusch, anstatt loszurennen, und sobald etwas dramatischere Musik einsetzt weiß man eh, dass jetzt ein Showdown kommen muss.
Noch ein Kritikpunkt: OPERATION FLASHPOINT: DRAGON RISING ist vom Schwierigkeitsgrad her etwas happig geraten, und die Steuerung kann gerade im hitzigen Gefecht zu Hektik führen: Artillerieunterstützung, welche Taste war das doch gleich? Wer glaubt, mit der erfolgreich beendeten Suche schon am Ziel der Träume angelangt zu sein, der irrt. Nun gilt noch Streuung, Radius, Munition etc. auszuwählen… Im Zweifelsfall, wenn man das nicht alles mehrfach trainiert hat, wird man noch im Auswahlmenü von den Gegnern zusammengeschossen. Obendrein: kommt man einmal bei der Menüführung durcheinander (Steuerkreuz oder Analogstick, versehentlich Aktionstaste loslassen), geht das Auswahlspielchen von vorne los…
Genug kritisiert, denn das Spiel ist wirklich ein Knaller, auch wenn alles etwas aufwändiger ist als ein herkömmlicher Shooter (genau das will OPERATION FLASHPOINT ganz offensichtlich auch nicht sein). Die Grafikengine, die uns schon bei Collin McRae Dirt 2 begeistert hat, bildet auch für diesen Taktikshooter eine solide Basis, die das Auge erfreut. Die Landschaft sieht einfach nur klasse aus, Licht und Schatteneffekte, aufwirbelnder Staub, Explosionen, Waffenmodelle: alles macht hier einen so realistischen Anschein, dass man innerhalb kürzester Zeit vertieft im Spiel ist und alles um sich herum vergisst. Gleiches gilt für die Soundeffekte. Hierbei gibt es lediglich einen kleinen Abzug: das Feedback der Teamkollegen ist insgesamt eher spärlich. Hat man das HUD nicht im Blick, kann es schon mal vorkommen, dass das restliche Team erschossen wurde, ohne das man es selbst zur Kenntnis genommen hat.
Die Gegner-KI macht einen guten Eindruck: sobald sie einen entdecken, wird das Feuer eröffnet. Sobald sie selbst unter Beschuss stehen, versuchen sie, in Deckung zu gehen oder eine bessere Schussposition zu erreichen. Ständig beobachten wir, wie eine Gruppe Gegner uns mit Sperrfeuer einheizt, während andere derweil versuchen, uns zu flankieren. Behält man hier nicht die Übersicht, ist es ganz schnell aus.
Dazu kommt, dass das eigene Team zwar ebenfalls Befehle sehr ordentlich ausführt, ansonsten aber in Bezug auf Eigeninitiative manches Mal träge ist. Lautet das Missionsziel beispielsweise „unbemerkt irgendwo hingelangen“, so werden sie nur auf Befehl den Gegner angreifen oder das Feuer erwidern, sobald auf sie Geschossen wird. Ist hingegen klar, dass man entdeckt wurde, aber nicht unter Beschuss steht, lassen sie die Gegner friedlich ihre Bahnen ziehen, um ja nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Wer in OPERATION FLASHPOINT: DRAGON RISING versucht, alleine durchzukommen, wird recht schnell an seine Grenzen stoßen. Nur in Zusammenarbeit mit dem gesamten Team ist ein erfolgreicher Abschluss einer Mission wahrscheinlich. Freundlicherweise ist es möglich, das komplette 4-Mann-Squad durch Online-Koop-Spieler aufzufüllen, wodurch deutlich mehr Taktik und Absprache mit ins Spiel kommt, als ohnehin schon vorhanden ist. Das lässt DRAGON RISING für Fans kooperativer Kampagnen natürlich zu einem riesigen Hit avancieren, da verschmerzt man gerne die kleinen Abzüge in der B-Note.