Tom Clancy´s Endwar (Xbox 360)

Es gibt Spiele, die wirken anfangs so komplex, dass man sich gar nicht daran wagen möchte, ohne genügend Zeit zur Verfügung zu haben. Bei TOM CLANCY´S ENDWAR war diese Befürchtung dieselbe, schließlich ist es etwas gänzlich anderes, seine Truppen mittels Sprachbefehlen in den Kampf zu schicken und keine direkte Eingreifmöglichkeiten zu haben. Entsprechend habe ich mich auf eine lange Einarbeitungszeit gefasst gemacht und mich in meiner privaten Kommandozentrale verschanzt, um das Spiel anzutesten.

Die Überraschung ist entsprechend groß, als ich schon nach wenigen Minuten das Gefühl habe, alles im Griff zu haben. Die größten Schwierigkeiten bereitet es mir anfangs, eine optimale Position für das Headset zu finden, damit ich nicht unnötig laut Befehle ins Mikro schreien muss. Ist das aber erst einmal erledigt, geht es direkt los. Während des Set-Ups der Funkbefehle wird man schon mit den ersten Kombinationsmöglichkeiten der Sprachbefehle konfrontiert, und so gehen wir gut gelaunt und mit halbwegs sicherem Gefühl ins erste Gefecht. Gefecht? Ja, ihr habt Recht, vielleicht sollte ich zunächst ein paar Zeilen zum Inhalt des Spiels schreiben.

TOM CLANCY´S ENDWAR beschreibt die fiktive Geschichte des Dritten Weltkriegs. Die Erde ist nahezu ausgebeutet, die einzelnen Staaten haben sich zu drei großen Streitkräften zusammengeschlossen: den USA, Europa und Russland (Kalter Krieg lässt grüßen). Wie es im Einzelnen zu der Eskalation gekommen ist, wird in den ersten Missionen erzählt, wo ihr jeweils in die Rolle eines Befehlshabers einer der Parteien schlüpft, um alle drei Armeen besser kennen zu lernen und deren Vor- und Nachteile zu wissen. Im späteren Verlauf liegt die Wahl nämlich bei Euch. Ihr müsst euch dann für eine Seite entscheiden, welche, das liegt ganz bei Euch. Es lassen sich aber recht klare Tendenzen aus den Vorab-Missionen erkennen, welche Art des Krieges euch besser liegt. Genug der Story, kommen wir wieder zu dem, was dieses Spiel so besonders macht: die Steuerung.

Wem die Befehlsketten, die das Spiel abverlangt, nicht gefallen, der kann natürlich auch aus einem Dropdown-Menü wählen. Die Praxis zeigt aber, dass die Sprachsteuerung zum einen wirklich gut funktioniert und somit auch entsprechend deutlich schneller ist, zum anderen aber auch einfach viel mehr Spaß macht. Optimal ist eine Kombination aus beidem. Voraussetzung für eine überzeugende Darbietung an der Kommandozentrale ist natürlich, wie auch im echten Leben, Disziplin. So kann man Stundenlang „Angriff“ ins Mikro brüllen, und nichts passiert. Ablauf einer Befehlszeile erfolgt immer nach dem Prinzip „Wer, was, wo“, zum Beispiel also „Einheit 1 angreifen Feind 3“. Kurz, knackig, präzise. Da spielt die Konsole auch mit, wenn man innerhalb kürzester Zeit mit nur minimaler Pause ganze Batterien von Befehlen bölkt und ohne Luft zu holen (wohl aber mit einmaligem Loslassen der Schultertaste zwischen den Einheiten) seine gesamte Armee verschiebt. Ärgerlich, wenn man dann statt „angreifen“ „Angriff“ verlangt. Das verstehen unsere tapferen Soldaten nicht.

Die Spielsteuerung sorgt für genug Action, da wäre die Kameraperspektive, die immer nur die Sicht einer Einheit zeigt, fast gar nicht nötig gewesen. Aber gerade das macht noch einmal den zusätzlichen Kick aus, wenn man über zwei Fronten verteilt kämpft und nur bei einem Gefecht aktuell zusehen kann. Da hetzt man teilweise zwischen den Kameraperspektiven hin und her. Grafisch und klanglich ist TOM CLANCY´S ENDWAR im Vergleich zu anderen Taktikspielen also eine deutliche Nase voraus.

Ein wenig zu kurz kommen dafür aber die taktischen Möglichkeiten, die sich dem Spieler bieten. Das Prinzip ist mir ein wenig zu stark an „Schere, Stein, Papier“ angelehnt. Hubschrauber vernichtet Panzer, Panzer vernichtet Transporter, Transporter vernichtet Hubschrauber. Irgendwo dazwischen liegen dann die Pioniere, die sich gegen fast alles erwehren können, aber auch recht anfällig sind, wenn sie nicht gerade in Deckung liegen. Und gerade da sind sie auch ein wenig stur! Befinden sie sich in einer sicheren Position und man gibt ihnen einen Angriffsbefehl, dann laufen sie los, bis der Gegner in Reichweite ist. Zu blöd, dass da nicht zumindest eine kurze Rückfrage kommt im Sinne von „Feind ausser Reichweite, sollen wir stürmen?“. Durch Truppenunterstützung und Nachschub können wir dann noch ins Spielgeschehen eingreifen und auf neue Entwicklungen einwirken, und natürlich auch mit der Entscheidung, mit welcher Einheit wir welchen Gegner angreifen.

Ziel ist es in der Regel, bestimmte Punkte auf der Karte einzunehmen oder einfach sämtliche Gegner, die irgendwann rot aufleuchten, ins Nirvana zu pusten. Auch hier wäre eventuell die eine oder andere Erkundungsmission interessant gewesen. Aber gerade im Bereich Erkundungen ist ebenfalls noch eine kleine Schwäche versteckt. Leider kann man den Einheiten keine direkten Routen vorgeben. Zwar gibt es die Befehle „vorrücken“ und „zurückziehen“, aber eine klare Zielvorgabe ist hierbei nicht immer möglich, abgesehen von Angaben wie „Feind, Gegner, Kartenpunkt“, und im Eifer des Gefechts (wie trefflich) ist es einem dann eigentlich auch egal, wo entlang die Einheit hingeht, hinfährt, hinfliegt oder was auch immer, Hauptsache, sie kommt auch da an, wo ich sie haben will und tut dort ihre Pflicht. Wenn sie unterwegs ein paar Verluste einstecken muss: ärgerlich, aber nicht zu ändern, dafür hatte ich in der Zwischenzeit genug Puste, um noch ein paar Helikopter mit nem Transporter zu zerschmettern.

TOM CLANCY´S ENDWAR ist eine echte Innovation für das Taktikgenre, zumal es sich nicht mit Ressourcenbeschaffung, Einheiten erschaffen und ähnlichem aufhält, sondern direkt zur Tat schreitet. Das ist für das Szenario auch glaubwürdiger. Man stelle sich vor, es wäre Krieg, und alle müssten erst einmal die Waffen bauen und Soldaten ausbilden. Aber auch die Sprachsteuerung ist eine willkommene Abwechslung zu den sonst üblichen Möglichkeiten in diesem Genre. Für Taktiker ein Muss, für angehende Kommandeure ebenfalls. Wer schon immer mal das Gefühl haben wollte, direkt im Geschehen zu sitzen, liegt hier genau richtig.