Was für ein schönes Land könnte das Königreich Andor doch sein, wären da nicht all diese schrecklichen Bestien und der Drache, die eine permanente Bedrohung darstellen. Zum Glück hat der König ein paar Heroen in der Hinterhand, die auch den schwierigsten Aufgaben gewachsen zu sein scheinen, nämlich euch (zumindest, sofern ihr euch im Vorfeld friedlich einigen könnt, wer den Kämpfer, den Bogenschützen, den Zwerg und den Zauberer spielt. Vier Mann dürfen (und sollten auch) mitmachen, aber… Dazu später mehr.
DIE LEGENDEN VON ANDOR ist ähnlich aufgebaut wie der alte Fantasy-Action-Klassiker „Hero Quest“, nur dass es hier niemanden gibt, der die feindlichen Figuren zieht, sondern die agieren nach „geskripteten“ Ereignissen, abhängig davon, wann die Helden was machen. In mehreren Kapiteln wird eine Geschichte erzählt und erlebt, in der die Spieler die Hauptrolle übernehmen. Die Aufgabenstellung ist von vornherein klar, kann sich aber im Verlauf eines Abenteuers (bzw. einer Legende) noch verändern. Das Spiel ist ab zehn Jahren empfohlen, und der taktische Anspruch empfiehlt es, auch nicht viel jünger daran zu gehen.
Wir gesagt: bis zu vier Spieler machen mit, weniger erleichtern zwar die Zielvorgaben, das Erreichen der selbigen ist aber ungemein schwerer. Hinzu kommt folgendes Problem bei dem Spiel: es ist absolut unabdingbar, dass man hier im Team spielt, und das setzt voraus, dass irgendwer den „Oberbefehl“ bekommt. Man kann und muss die Vorgehensweise für die gesamte Truppe vorplanen, und wenn auch nur einer aus der Reihe tanzt, wird es quasi unmöglich, die Aufgaben zu packen. Da immer mehrere Bedrohungen gleichzeitig lauern, muss sich die Heldentruppe auch regelmäßig aufteilen.
Wer DIE LEGENDEN VON ANDOR erstmalig spielt, wird sich zunächst erschrecken: eine Flut an Plättchen und Markern wartet im Paket-Inneren, doch die Macher haben mitgedacht und gleich eine ausreichende Menge kleiner Plastikbeutel dazu gepackt. Ein langes Anleitung-Lesen fällt übrigens aus, da es ein Einführungsspiel gibt, in dem alles erklärt wird. Man kann also, sobald man die ganzen Plättchen und Aufsteller ausgedrückt und zusammengebaut hat, direkt loslegen. Eine Legende bedarf etwa eine Spielzeit von 60-90 Minuten, man sollte sich also ausreichend Zeit einplanen, denn mittendrin abbrechen, abbauen und später weiter machen funktioniert mitten in einer Legende nicht.
Das Kennerspiel des Jahres 2013 besticht durch einen aufwändig gestalteten Spielplan und liebevoll bebildertes Begleitmaterial, das beim Spielen richtig Freude aufkommen lässt. Selbst auf kleinste Details wie unterschiedliche Geschlechter für jede Heldenklasse und entsprechend gestaltete Setzfiguren und Stufenblätter wurde geachtet.
Das Kampfsystem in Andor ist zwar irgendwie einfach, aber auch genial. Während der Krieger und der Zwerg mit einer Vielzahl an Würfeln zuschlagen können, darf der Bogenschütze von einem benachbarten Feld angreifen und bei seinen Würfeln entscheiden, wann er aufhört zu würfeln. Der Zauberer darf einen Würfel auf die gegenüberliegende Seite umdrehen (und hat somit schlechtestenfalls eine Vier als Ergebnis). Wird gemeinschaftlich gekämpft, werden die Punkte, die sich aus der Summe von Würfelergebnis und Stärke ergeben, zusammenaddiert und gegen das Ergebnis des Feindes gegen gerechnet. Die Differenz wird beim Verlierer abgezogen. Teamwork zahlt sich also aus, kostet allerdings auch Zeit, und Zeit ist ein Luxus, der bei den Legenden von Andor nur selten in Überfluss vorhanden ist.
Wem das alles nicht ausreicht, der kann das Spiel auch optional erweitern oder eigene Legenden schreiben. Hierfür sind sogar separate Karten beigestellt. Da nicht jeder so kreativ ist, gibt es aber zum einen eine Erweiterung für 5-6 Spieler, zum anderen aber auch eine Abenteuererweiterung „Der Sternenschild“, in der weitere Legenden erzählt werden, die ihr weiter spielen könnt und bei denen ihr euch mächtige Wölfe als unterstützende Kräfte dazuverdienen könnt…
DIE LEGENDEN VON ANDOR ist vor allem für eine feste Spielergruppe von vier (bzw. 5-6 oder weniger Spielern) Leuten zu empfehlen, da man sich mit der Zeit an seinen Helden gewöhnt und somit nach und nach leichter in dessen Rolle schlüpfen kann. Eine lockere Brettspiel-Alternative für versierte Pen & Paper-Rollenspielfans ist es allemal, hier darf man dann aber nicht allzu viel Tiefgang verlangen, oder aber man muss sich die Regeln entsprechend ein wenig anpassen, um nicht vom engen Korsett der Regeln erdrückt zu werden (das gilt natürlich nur im Vergleich zu Rollenspielern, wo quasi alles machbar ist).